Ein Gastbeitrag, den ich heute nochmals veröffentlichen möchte, weil er so aktuell wie nie ist.
Anbei nun die Gedanken eines guten Freundes von mir zum Thema Bankvertrieb:
Vertrieb oder der immerwährende Zielkonflikt…
Mein Freund A. bat mich, einen Beitrag für Blackwater.live zu verfassen. Auf meine Frage nach dem Thema sagte er „Schreib etwas über Vertrieb“, Schließlich machst Du das schon seit 20 Jahren. Ja das ist wohl wahr. Seit nunmehr fast 20 Jahren arbeite ich im (Finanz-)Vertrieb. Die ersten 5 Jahre bei wechselnden Anbietern. Seit 2004 bei derselben Adresse.
Mir war klar, dass sich A. einen mit meinen zynischen Betrachtungen (Originalzitat A.) gespickten Beitrag erhofft hatte. Nun, es ist nicht schwer bei den Entwicklungen im Finanzvertrieb zynisch zu werden.
Als ich damals anfing, war ich von einem gewissen Idealismus geprägt. Ich wollte den Kunden „etwas Gutes tun“ und dadurch natürlich selbst wirtschaftlich vorankommen.
Allzu schnell musste ich leider feststellen, dass dies auf einen gewaltigen Zielkonflikt hinausläuft. Ähnlich dem sog. „magischen Dreieck, anhand dessen wir den Kunden erklären, dass sie keine Anlage haben können, die gleichzeitig eine hohe Rendite, jederzeitige Verfügbarkeit und eine hohe Sicherheit gegen Verluste aufweist.
Genau so wenig , musste ich feststellen, kann man in der provisionsbasierten Kundenberatung im Finanzbereich gleichermassen die Interessen des Kunden und seine eigenen bzw. die des Finanzdienstleisters in Einklang bringen. Wie komme ich darauf?
Es gibt eine ganz einfache Frage, mit der man in der Finanzbranche herausfinden kann, ob man gut und vor allem ehrlich berät.
Die Frage lautet: Würde ich das Produkt für mich kaufen, wenn ich in der Lage des Kunden wäre? Diese Frage scheint sehr einfach zu beantworten zu sein. Sie hat aber mehrere Dimensionen.
Auf den ersten Blick kann man leicht „ja“ oder „nein“ sagen. Auf den zweiten Blick müsste man ein paar Voraussetzungen klären.
Der emotionslose Blick auf das Geschehen
Als Finanzexperte, der sein Geld wert ist, liest man natürlich auch privat über Finanzthemen. Dabei stellt man fest, dass die vom eigenen Haus angebotenen Finanz- und Vorsorgeprodukte völlig überteuert und unflexibel sind. Man erkennt , dass bei sog. staatlich geförderten Produkten der Vorsorge ein großer Teil der staatlichen Förderung vom Versicherer in Form von überhöhten Kosten wieder „abgegriffen“ wird, so dass es sich überhaupt nicht rentiert zu sparen. Außer für den Versicherer…..
Würde ich das für mich selbst abschließen?
NATÜRLICH NICHT:
Lieber verzichte ich auf die sog. staatliche Förderung (man könnte es auch Gängelung nennen) und zahle Steuern auf meine Gewinne, als dass ich gar nicht erst Gewinne erwirtschafte, da die Kosten so hoch und die Produkte so unflexibel sind.
Die ganzen Vertriebsvorbeter in Gestalt von Vertriebsmanagern, Vertriebsdirektoren, Vertriebscoaches etc. pp. besitzen natürlich Unmengen von eigenen Vorsorgeprodukten.
Wenn ja, wären sie vermutlich wirklich blöd. Aber das sind sie eben nicht.
Sie kennen ihre Produkte am besten. Deshalb ist kaum zu erwarten, dass sie viele davon ihr eigen nennen. Es sei denn, sie haben keine Wahl und bekommen sie von der Firma gezahlt.
Der zweite (emotionale) Blick auf das Geschehen
Nun sind wir ja alle Menschen. Und als solche unterliegen wir alle Emotionen. Die einen mehr, die anderen weniger.
Was könnte mich denn motivieren oder sogar dazu veranlassen, ein Produkt abzusetzen, welches nicht im besten Interesse des Kunden ist und welches vor allen Dingen ich für mich persönlich nie und nimmer in Betracht ziehen würde?
Na ja, bei Angestellten sind es die Vetriebsvorgaben , die durch die versammelten Vertriebsvorbeter peinlich genau und wenn möglich in stündlichem Abstand elektronisch abgefragt und dann beim Mitarbeiter „nachgehalten“ werden. Diesem Druck kann man sich halt besser entziehen, wenn man die Produkte verkauft, die die Organisation und der Vorbeter absetzen wollen. Andernfalls kann der Druck sehr ungemütlich werden. Für den Selbständigen ist es natürlich der Reiz des schnöden Mammons bzw. die Tatsache, dass auch er von etwas leben muss. Und die Vertriebsanreize werden meist so gesetzt, dass die schlechtesten Produkte die höchsten Provisionssätze aufweisen. Was sich auch so verkauft, hat in der Regel keine allzu hohen Vertriebsprovisionen.
Die Methoden, deren sich die Vorbeter bedienen, reichen von psychischem Druck im Vier-Augen-Gespräch über das öffentliche Shaming des Mitarbeiters bis hin zu offener Erpressung. Natürlich alles nur mündlich, damit man nichts nachweisen kann.
Jetzt kann man natürlich sagen, jeder hat die Wahl, ob er das macht oder nicht. Das ist im Prinzip immer richtig. Aber es ist im Grund dasselbe wie mit Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und Fremdgehen. Es ist leicht, sich darüber moralisch zu echauffieren, bis man mal selbst vor der Wahl steht.
Mein Fazit nach fast 20 Jahren Vertrieb lautet. Gute Beratung und Provisionen sind ein nicht zu lösender Zielkonflikt.
Es kann trotz bezahlter Provisionen eine gute Beratung sein. Aber das ist dann eben zufällig so. Im Normalfall setzen Provisionen Anreize, die mit den Kundenbedürfnissen eben nichts zu tun haben. Um die Frage für mich zu beantworten. Was würde ich in der Lage des Kunden tun? Ich würde zu einem qualifizierten Honorarberater gehen und diesen anständig bezahlen. Dann wüsste ich, das seine Empfehlungen frei von sachfremden Interessen sind. Unter dem Strich dürfte man einiges an Vertriebsprovisionen dabei sparen. Diese Meinung von mir widerspricht zwar meiner jetzigen beruflichen Situation , da ich von Provisionen lebe. Aber ich gehe eh nicht davon aus, dass dieses Beratungsmodell noch lange überleben wird. Deshalb kann man sich schon einmal mit der Realität anfreunden und diese nicht wie die Vertriebsvorbeter wegleugnen.
Ein Kommentar zu „Vertrieb als Zielkonflikt. Ein Gedanke.“
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