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History [Oben angepinnt] Urchristentum, Nikoaliten, Ebioniter, Paulus

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mrtn
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Themenstarter  

In meinem beliebten Freitzeithobby bin ich über eine wissenschaftlich-theologische Arbeit gestossen, bei der es um das Urchristentum, die Nikolaiten, Gnostiker und am Rand um die sogenannten "Ebioniten" geht. Dieser Thread ist nur für die interessierten Leserinnen und Leser mit einer gewissen theologischen Vorbildung und für die Nachwelt gedacht.

 

Ist natürlich eine Wall of Text, aber hier geht es ja um Religion mit Niveau und nicht auf Galileo TV Level oder ich hätte die Welt wie sie mir gefällt.

Diese Erkenntnisse führen einen nichtjüdischen Menschen der auf der Suche nach Gott ist zu einer ganz anderen Schlussfolgerung - so wie es mir schon seit ca. 2 Jahren geht.

 

"In den letzten 150 Jahren scheint das Thema Nikolaiten niemanden mehr sonderlich interessiert zu haben; und das ist auch nicht verwunderlich: Wer mochte sich um solch eine schmutzige Kleinigkeit kümmern, wo es doch so hochwichtige neue Textfunde wie jene von Qumrân und Nag-Hamadi zu begutachten, zu übersetzen und zu verstehen gab?"

Nach dem Durcharbeiten des Artikels wurde mir klar, welche Sprengkraft dahinter steckt. Und alles ist mit Quellen belegt und tiefer nachforschbar.

Es ist der Kern, den ich immer wieder in Artikeln postuliert habe: das Christentum heute, der christliche Glaube ist die paulinische Religion und eben NICHT die Nachfolge Jesu und seiner Lehren. Das wird schon klar, wenn man aufrichtig und ohne Vorurteil die Evangelien liest (mir wurde klar, die meisten interessiert das eh nicht wirklich - aber Hauptsache "Jesus liebt Dich, hat alles gemacht und ist unser Kuschelbär").

Nichts "heiliger Geist" und Wahrheit, es waren reine Machtfragen der sich konstituierenden Urkirche! Die ganzen "Kinder Gottes" Storys etc. sind letztlich kirchliche Erfindungen.

 

(der Artikel ist gemeinfrei und öffentlich verwendbar. @Autor: sollte sich das mal ändern, einfach bei mir melden. Dann nehme ich ihn offline)

 

Ein paar Kernpunkte aus der Arbeit:      (alle Quellen am Ende des Artikels)

 

1. Zur Zeit als Hadrian den Aufstand des Simon Bar Kochba niederschlug (um 70), befolgten fast alle palästinensischen Christen das mosaische Gesetz (Wieso? 😉)

2. Die Judenchristen orientierten sich an den Richtlinien, welche Lebensweise und Lehre von Jesus bestimmt hatten; – die paulinischen Christen aber setzten ihre eigene, zweckmäßig konstruierte Lehre durch; – denn diese besaß – wie die Weltgeschichte ja gezeigt hat – eine viel größere «Mehrheitsfähigkeit». 

3. Wie sich Paulus durchsetzte...

  • Nun standen zwar in allen Gemeinden Leute gegen die Lehre des Paulus auf; – sie vermochten aber nicht, sich gegen die durchdachte Strategie des Paulus durchzusetzen. Ihre Argumente waren:
  1. Paulus sei kein wahrer Apostel des Herrn
    (wirklich ist seine ’Bekehrung’ eine sehr fragwürdige Geschichte, indem er sein ’Damaskus-Erlebnis’ bei drei Gelegenheiten in drei widersprüchlichen Versionen erzählt).
  2. Beschuldigungen an Paulus, wie Eigennutz, Ehrgeiz, Feigheit, Opportunismus.
    (tatsächlich stellt sich der Thraker Saulus im Rahmen seiner diversen Gefangennahmen dem Sanhedrin gegenüber als in Jerusalem aufgewachsenen pharisäischen Juden dar; – dem Römischen Prokurator bzw. Kommandanten gegenüber aber als römischen Bürger (eigentlich als Patrizier, der er durch Gunst der Flavier gewesen zu sein scheint; – und dies wiederum legt den Verdacht nahe, er sei mit Flavius Josephus identisch: Nur ihre beiden Aussagen über Christen und Umfeld stimmen überein).
  3. Sein Bemühen, das mosaische Gesetz auszuschalten
    (die Beschneidung und die Absonderung von ’Heiden’/Goyim sind typische Themen hierzu).
  4. Pauli Evangelium sei ein menschliches, kein göttliches
    (wirklich erscheinen die vielen ’gnostischen’ Aussagen eigentlich Zitate aus «apokryphen Texten» anderer Gruppen – insbesondere von solchen, die früh ausgeschaltet wurden).
  5. Des Paulus Lehre sei eine andere; sein Jesus sei ein anderer als jener der echten Apostel (daran kann heute kein Zweifel mehr bestehen).
  6. Petrus, Johannes und Jakobus hätten nie die Ungültigkeit des jüdischen Gesetzes gelehrt
    (woraus man auch die Differenz zwischen Johannes und Paulus erkennt, trotz gleicher Zielsetzung).
  7. Die Notwendigkeit eines enthaltsamen Lebens, die Nützlichkeit der Beschneidung, die Einhaltung der jüdischen Festtage, Neumonde und Sabbate, sowie die Enthaltsamkeit von gewissen Speisen
    (vgl. Jes. 1:13-14: das genaue Gegenteil!).
  8. Die Vorsteher der Judenchristen traten in den Gemeinden als kollegiale Diakone auf (Diener, Almosen-Pfleger) – Paulus aber als allwissender Alleinherrscher (Guru). 

 

 

 

"Häresie war seit den ’Paulusbriefen’ alles, was der von ihm, Paulus, konstruierten Lehre widersprach – insbesondere die von den Judenchristen allein hochgehaltene Lehre Jesu und ihre Gesetzestreue."

 

____________________________________

 

DIE NIKOLAITEN : URCHRISTEN – GNOSTIKER – KETZER 

Verdammt in Off. 2, 6-7, 14; 15; 20; 24; – 1 Cor 8; –Rm 14 sowie in Kommentaren zeitgenössischer und späterer Schriftsteller; – rehabilitiert im Licht der Entwicklungsgeschichte gnostischer Überlieferung. 

Es ist unmöglich, vorallem das erste Zitat sinnvoll einzuordnen ins christliche Gebot der Nächstenliebe und unters Prinzip des Nicht-Verurteilens der Brüder im Glauben – und a fortiori ins Konzept der Gnosis: Das Wort Haß gehört in keine religiöse Lehre, paßt allenfalls zum AT, ist aber hier Ausdruck einer ganz anderen Intention. – Die Studie berücksichtigt geistesgeschichtliche, linguistische, doktrinäre und religionsphiloso- phische Aspekte. – Apokalypse, Briefe und Evangelium des ’Johannes’ erweisen sich als unheilige konzeptuelle Elemente der kanonischen Propaganda gegen das Judenchristentum – und für das paulinische Christentum. 

1. ÜBERBLICK ÜBER GESCHICHTE UND LITERATUR 

Im Folgenden wird aufgrund alter und neuerer Quellen der Hintergrund beleuchtet, vor dem ein kritischer Leser die Bibelstellen lesen sollte (und nicht nur diese), die zur Jahrhunderte langen Diffamierung der Niko- laiten (und nicht nur Jener) führte. Diese Textstellen, ihre Widersprüchlichkeit und Sinnwidrigkeit bezüglich der ursprünglichen Botschaft Jesu erzeugen beim aufmerksamen Leser den Eindruck, daß «irgend etwas nicht stimmt». Wirklich stimmt allerhand nicht. – Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gemacht, zu zeigen, was; – und warum – aufgrund der Textfunde in Qumram und Nag-Hamadī - dieser Teil der Bibel unhaltbar ist, ja, daß diese Textstellen längst in keiner wahrlich christlichen Gemeinschaft mehr gelesen werden dürften. 

1.1. Geschichtliches Umfeld zur Zeit der Nikolaiten 

Der Ausdruck Nicolaitæ erscheint (im Sinne der heute akzeptierten Zeitfolge der Endredaktion der ’Heiligen Schriften’) tatsächlich zum ersten Mal in Apoc. 2, 6 und 2, 15, wobei dieser Ausspruch dem Christus in den Mund gelegt wird; – d.h.: er erscheint ein bis dreihundert Jahre nach dem Tod des Jüngers Johannes. 

Nikolaiten existierten – so die kirchenhistorische Literatur – vom 2. Jh. (frühestens aber ab Ende 1. Jh.), bis höchstens ins 5. Jh. als eine mangels Dokumentation nicht genau umschreibbare Gemeinschaft. Auch die diversen Kirchenväter etc. geben keine Antwort auf dieser Frage. Erneut benutzt wird die Bezeichnung «Nikolaiten» erst wieder im 12. Jh. im Zusammenhang mit dem schwierig durchzusetzenden Zölibat der Kleriker.1 – Die Verurteilung der Lehre und der Lebensweise der Nikolaiten – eines synkretistischen, eher liberalen, jedoch vorwiegend christlichen Gnostizismus mit asketischen Zügen – erfolgte frühestens ab Mitte des 2. Jh. (Terminus post quem für die frühest-mögliche Autorschaft der neutestamentarischen «Apokalypse des ’Johannes’», und also durch diese zum ersten Mal), dann aber durch eine Reihe von Kirchenvätern im Rahmen der Ketzerverfolgungen («Häresiologie» und zahlreiche Kommentatoren). 

Diese lassen sich vorzüglich in zwei Lager unterscheiden, die jedoch hier – der Vielzahl involvierter Namen und Möglichkeiten wegen – nur unvollständig herausgeschält werden können. Ein fleißiger Bibliograph könnte das jedoch aufgrund der vorliegenden Arbeit vervollständigen. 

1.1.1. Die voreingenommenen Gegner der Nikolaiten 

Zum größeren der beiden ’Lager’ gehören u.a. Tertullian2 (3. Jh.); – Irenäus3 (Ende 2. Jh.); – Epiphanius4 (4. Jh.?). – Nach eigenem Bericht erst selbst ein gnostischer Häretiker, dann Häresiologe (siehe Pkt. 4.1.1. hiernach), wird er im Dictionnaire Encyclopédique du Christianisme Ancien5 zweckmäßig in mehrere Personen mit unklaren Biographien zerteilt); – Hippolytos6 (Mitte 3. Jh.); – natürlich Augustinus7 (Ende 3. Jh.); – Philastro8 di Bologna (’Philastrus’, 4. Jh.) – eine empfehlenswerte Quelle, der zusätzlichen Informationen wegen; – Hieronymus9 (4. Jh., cap 3); Isidor10 (6. Jh); etwas kritischer und sachlicher als die Anderen. Dazu kommen mehrere Andere, die allesamt mehr oder weniger Irenäus bzw. Epiphanius abschreiben, und die in ihren Kommentaren mehr oder weniger in den behaupteten Lastern des Nikolaus und der Nikolaiten schwelgen – vorallem Epiphanius; – siehe Punkt 4.1.1. – 

Zu diesen Gegnern muß auch ein neuerer Autor gezählt werden: Lobegott Lange, ein offensichtlicher Vereh- rer des paulinischen Christentums11. Sein Buch wird in der vorliegenden Arbeit so oft passim zitiert, daß er un- ter Punkt 4.2. nicht mehr kommentiert wird. 

1.1.2. Differenziertere Quellen 

Das andere, kleinere ’Lager’ besteht in der Frühzeit aus Clemens v. Alexandria12 (gest. vor 215) und Euse- bius (4. Jh., historisch ebenfalls in mehrere Persönlichkeiten zerteilt)13. In der neueren Zeit kommen noch Jacquier (Iaquierus, 16. Jh., siehe Pkt. 4.2.2), E.R. Roth (16. Jh., siehe Pkt. 4.2.3) und Arnolds Unparteiische Kirchen- und Ketzergeschichte (1699; siehe Pkt. 4.2.3.) dazu. 

In modernen öffentlichen Nachschlagewerken erscheinen die Nikolaiten sehr unterschiedlich – je nach Orientierung der Autoren (siehe unten, Punkt 4.3. 

Im Folgenden werden Auszüge aus obigen enzyklopädischen Werken und Exzerpte aus Original-Werken häresiologischer und kirchengeschichtlicher Autoren beider ’Lager’ eingeflochten. Letztere werden beim Zitat angegeben, soweit nicht unter Punkt 4 ausführlicher kommentiert. Angaben in gewinkelten Klammern <...> bezeichnen Standorte in der Universitätsbibliothek Basel, jene in geschwungenen Klammern { ... } Randbemerkungen des Autors des Gegenwärtigen. 

1.2. Ebioniten und Ophiten als Vorläufer der Nikolaiten 

Sollen die Nikolaiten – sollen ihre Lehre und Lebensweise ausgewogen betrachtet werden, so ist es un- umgänglich, sowohl ihre Vorläufer als auch ihre Nachfolger zu kennen und gerecht zu betrachten. Daß diese Betrachtungsweise zu Schlüssen führt, die der heutigen Theologie nicht sehr geläufig, der römischen Doktrin aber geradezu zuwider sind, ist verständlich, darf aber die ernsthafte Analyse der Tatsachen nicht trüben. 

Die Namen der häretischen Sekten stammen oft als Spottnamen von Außenstehenden – oder aus Mißdeutun- gen bei ihnen verwendeter Namen und Begriffe; aber meistens beziehen sie sich auf Namen ihrer Exponenten (was auch regional begrenzt bzw. durch den Kommentator bedingt sein kann). – Zum Teil wurden sie von außen auch nach Eigentümlichkeiten ihres Kults benannt. Ein typisches Beispiel sind die Ophiten: 

Heute wie damals befinden ’Historiker’, wenn sie einen Gegenstand sehen, den sie nicht verstehen, es handle sich um einen Kultgegenstand, und – wenn es sich um eine konkrete Figur – ob Tier, Mensch oder Pflanze – handelte, jene Menschen hätten dieses Objekt (oder die Person) angebetet. So wurden auch die Ophiten (oder Serpentinarii) dahin mißinterpretiert, daß die Schlange einmal im Kultus verwendet, ein anderes Mal als Gott verehrt worden sei. – Lange (a.a.O.) nennt die Schlange ein Symbol der Achamot (die er als Äquivalent zur Sophia [in der Ogdoas] sieht); – also als Symbol des ’Guten Prinzips’. So schreibt auch Irenæus14: «Einige sagen, die Sophia selbst sei zur Schlange geworden, weshalb sie auch der Gegner des Schöpfers des Adam gewesen sei, den Menschen die Erkenntnis eingepflanzt habe und darum weiser gewesen sei als Alle. – Quidam ipsam Sophiam serpentem factam dicunt, quapropter etiam contrariam extitisse factori Adæ et agnitionem hominibus immisisse, et propter hoc dictum serpentem omnium sapientiorem». 

In seinem Buch Tiermythen und Fabeltiere beschreibt Yves Schumacher mehrere aktuelle Schlangenkulte.15 

Im 19. Jh. – dem überheblichsten in der Kulturgeschichte – nannte man die Ophiten auch « ... vermutlich Betrüger, die sich gerne für Zauberer angesehen sahen». – Tertullian, der großzügigste wenn auch nicht der boshafteste Rezensent, schreibt16: «Sie verehren die Schlange so sehr, daß sie sie sogar dem Christus selbst vorziehen. Sie nämlich – sagen sie – gab {lehrte} uns den Ursprung der Kenntnis von Gut und Böse. – Serpen- tem magnificant in tantum ut illum etiam ipsi Christo præferunt. Ipse enim (inquiunt) scientiæ nobis boni et mali originem dedit.» – Die Gnostiker hätten die Schlange überdies (bzw. darum) insofern verehrt, als sie sie als die Aufklärerin zur Befreiung aus der Gewalt des Jaldabaoth – des Fürsten dieser Welt – aufgefaßt hätten. 

1.2.1. Geschichtliches zu den Ebioniten

Die Ebioniten gehen auf keinen Stifter zurück, sondern aufs Hebr. Nwyb) – Ebion – ein Armer, Bedrängter. Daß es einen Stifter Hebion gegeben habe, wurde von den Kirchenvätern (vor allem von Irenäus) wiederholt – und dasselbe wurde sogar in den Jerusalemer Talmud aufgenommen. So wurde der erfundene Ebion auch noch zum Nachfolge des Cerinthus (siehe unten), der den Johannes im Bade angetroffen und aus der Sekte der Na- zoräer hervorgegangen sei17, der auch in Kochba («einer Ortschaft Samariens»; – tatsächlich wohl mißverstanden nach Simon Ben Kochba, dem historischen Anführer des jüdischen Aufstands gegen Rom, um 60-70) ge- lehrt habe und sogar nach Rom gereist sei {wie dies bekanntlich seit Jahrhunderten vom Apostel Petrus ebenso unrichtig behauptet wird}. Die Version der Judenchristen in Palästina liegt sicher näher18, wonach die Ebioni- ten mit Armut und Einfachheit in Verbindung gebracht wurden; – also mit einer etwas anspruchloseren Form der Askese; – nämlich:
Die Ebioniten hätten ihre Güter verkauft, all ihr Geld den Aposteln gegeben, seien darauf in Armut und Be- drängnis geraten und hätten daher ihre Benennung erhalten. Tatsächlich seien sie schon im Jahr 36 aus Jeru- salem {nach Pella} geflüchtet19, und Paulus habe Kollekten zugunsten notleidender Brüder veranstaltet20. 

Ursprünglich in Palästina ansässig, hielten sich die Ebioniten streng an Jüdische Grundsätze, Lehre und Lebensweise und suchten Judentum und Christentum zu vereinen. Die Kirchenväter stellen sie immer neben Cerinthianer und Nikolaiten. Zur Zeit als Hadrian den Aufstand des Simon Bar Kochba niederschlug (um 70), befolgten fast alle palästinensischen Christen das mosaische Gesetz. In Jerusalem war ein Bischof «aus der Beschneidung». Da nun Hadrian den Juden verbot, sich Jerusalem zu nähern, bildete sich in Pella, jenseits des Jordans, auch eine heidenchristliche Gemeinde; die sich den Markus zum Bischof gab. Dadurch entstand eine Trennung der Christen. Unter den Augen des Sanhedrin hätte keine heidenchristliche Gemeinde sich bilden 

-2- 

können, da das Befolgen der pharisäischen Gesetze die Voraussetzung war, in Jerusalem leben (arbeiten, ernten, kaufen, verkaufen ...) zu können. Die Trennung betraf also nicht nur die Beschneidung, sondern die ganze Lebensweise. Daß Paulus dafür wenig Sensibilität zeigte, liegt daran, daß er eben ein Ausländer war (aus Cilicien in Thrakien stammend) – selbst wenn er sich bei Gelegenheit als in Jerusalem aufgewachsenen pharisäischen Juden ausgab, während er sich hauptsächlich Rom verpflichtet fühlte; – ganz wie Flavius Josephus auch. 

Als Hadrian den jüdischen Staat und den Sanhedrin auflöste, schlossen sich die von Pella zurückkehrenden Judenchristen den Heidenchristen in Jerusalem an. «Da nun in den übrigen christlichen Gemeinden die Grundsätze des Apostels Paulus und des Johannes galten, und da deren Episkopats-System bereits eine Vereinigung derselben bewirkt hatte, so mußten diese Judenchristen im Gegensatz zu Jenen als eine Häresie erscheinen. Umgekehrt sahen die Heidenchristen die gesetzestreuen Juden als Ketzer an» – so Lange. 

Dazu kamen die Unterschiedlichen Auffassungen über die christliche Lehre: Die Judenchristen orientierten sich an den Richtlinien, welche Lebensweise und Lehre von Jesus bestimmt hatten; – die paulinischen Christen aber setzten ihre eigene, zweckmäßig konstruierte Lehre durch; – denn diese besaß – wie die Weltgeschichte ja gezeigt hat – eine viel größere «Mehrheitsfähigkeit». 

Die Ebioniten, die ihrerseits aus den Lehren der Nazoräer (ein ’Derivat’ der Essener) hervorgegangen wa- ren, wurden – darin sind sich auch de Kirchenväter einig – zum Ursprung der Nikolaiten, und diese wieder zu jenem der Cerinthianer (Cerinthus war zweifelsfrei ein Judenchrist) – das waren die eigentlichen christlichen Gnostiker. 

1.2.2. Die Lehren der Ebioniten 

Die Kirchenväter waren – das ist verständlich – außerstande, eine objektive Schilderung der Glaubensinhalte dieser „Sekten“ zu geben – teils aus Unkenntnis (Tertullian, Irenäus), teils aus bösem Willen (Epiphanius, Hieronymus). Dazu kommt, daß gerade die militantesten Gegner der gnostisch orientierten Sekten in ihrer Vergangenheit selbst deren Mitglieder gewesen waren. Epiphanias z.B. berichtet ausführlich – wenn auch nicht ehrlich – darüber (siehe dort). Das Zusammenführen aller dieser tendenziösen Quellen erlaubt indessen einen Einblick in die wahren Verhältnisse und Ansichten der Urchristen in Syrien und Kanaan (Palästina hieß nur der schmale Küstenstreifen des vormaligen Philisterlands), vor allem wenn man dank den in den letzten Jahrzehnten entdeckten Dokumenten die wahre Überlieferung der Essener und Gnostiker etwas kennt. 

Der Hauptzug aller ’Häretiker’ war die von den Nazoräern übernommene Grundhaltung, neben der eigenen jüdischen (jetzt also der ’judenchristlichen’) Lehre auch andere Traditionen gelten zu lassen. Ein fast ebenso wichtiger Punkt war der, daß auch die größten Propheten der alten jüdischen Tradition Menschen waren – wenn auch von besonders ausgezeichnetem Lebenswandel, Wissen und Gerechtigkeit – so wie Jesus auch. Diese Sichtweise hinderte die Ebioniten nicht, an Jesus als an den Christus und Messias zu glauben, obschon sie nicht die nazoräische Sicht der Geistgeburt Jesu vertraten, sondern seine rein menschliche Abstammung «von Maria und Joseph aus der Blutlinie von David und Salomo», was auch wieder anfechtbar ist. 

Dazwischen gab es dann noch Nuancierungen, die im Zusammenhang mit der gnostischen Tradition von der Entstehung der Äonen unterschiedliche ’Geburten Jesu’ lehrten: Die eine Sicht war z.B. die, Jesus habe nicht von Jaldabaoth, dem Demiurgen, einen Körper erhalten wie die gewöhnlichen menschlichen Mikrokosmen, sondern er habe einen ’Geistkörper’ vom Jesus der Ogdoas erhalten und eine Geistseele direkt von Sophia. – Eine andere Sicht war jene, er sei ein bereits gereinigter und befreiter Mikrokosmos gewesen, der alle Eigenschaften einer befreiten Seele in die Welt mitbrachte. – Wieder eine andere Sicht war jene, er habe Maria sozusagen wie einen Schlauch benutzt, um aus der geistigen Welt in die stoffliche Welt zu gelangen, und er habe bei seinem Verlassen der Stoffsphäre alles Stoffliche wieder «an die Vier Elemente zurückgegeben» ... – 

Von den Nazoräern kam den Ebioniten auch die chiliastische Überlieferung (Weltende, jüngstes Gericht); daneben ihre strenge Einhaltung der jüdischen Gesetze, Feiertage, Bräuche und anderen Vorschriften. So ver- warfen sie die Lehren des Paulus, weil er das Gesetz entgegen dem Willen Jesu aufgehoben hatte. 

All dies zeigt, wie ganz und gar erfunden die Behauptung des Epiphanius ist, ein Ebionite habe dem Joseph zugerufen: «Glaube an Jesus den Gekreuzigten unter Pontius Pilatus dem Landpfleger, (als) an den Sohn Got- tes und aus dem Schoße Mariæ Geborenen. Christus, den aus Gott seienden und von den Toten auferstandenen, und der kommen wird, um die Toten zu unterscheiden {wörtlich: den Einen den Siegeskranz zu verleihen}». Und dies wiederum zeigt, daß die Mariengeburt Jesu zur Zeit, als Epiphanius schrieb, noch nicht als jungfräu- lich galt (er hätte das sonst gesagt, wie alle anderen Häresiologen und Kirchenväter nach ihm), – auch, daß damals noch nicht von einem schaurigen «... zu richten die Lebendigen und die Toten ...» die Rede war, sondern von demselben «Siegeskranz für den Wettlauf», den das Corpus Hermeticum21, und die manichäischen Texte mehrfach erwähnen 22 - das heißt: Selbst-Erlösung dank der Wiedergeburt aus Wasser und Geist. 

-3- 

Aus ihrer Einhaltung der mosaischen Gesetze wird allgemein abgeleitet, die Ebioniten hätten auch den Rest des AT akzeptiert und befolgt. Das ist aber zu differenzieren und gilt auch nicht für alle ihre Zweige gleich. 

Die Ebioniten verwarfen – so Lange –sämtliche paulinischen Briefe, – andere Autoren behaupten, sie hätten außer der Sendung Jesu auch das ganze NT angenommen (das damals noch lange nicht verfaßt war!) – Wieder Andere behaupten, dies gelte fürs Evangelium der Hebräer, das Lange zu Unrecht mit dem Evangelium des Matthäus für identisch hält: Vielmehr scheint das Evangelium der Hebräer mit dem Evangelium der Ebioniten identisch zu sein.23 

Gemäß Lange wäre das Matthäus-Evangelium das judenchristliche, das Lukas-Evangelium das paulinische, das Johannes-Evangelium wäre dann das heidenchristliche. Wenn nun das Johannes-Evangelium zugleich als das gnostische betrachtet wird, so trifft dies nur auf Teile wirklich zu (insbesondere auf den Prolog). Indessen kann auch Stellen aus den übrigen Schriften eine gnostische Interpretation unterlegt werden; – ja, es wurde so- gar schon allen Ernstes unternommen, den hier kritisch betrachteten Versen aus der Apokalypse eine gnostische Sinngebung aufzupressen, obgleich sie ganz offensichtlich antichristlich und antignostisch redigiert sind! – Solch gewaltsames Uminterpretieren halten wir nicht nur für naiv, sondern sogar für gefährlich. 

Die Feststellungen, die zur genannten Folgerung betreffs des Matthäus-Evangeliums führten, sind: 

  •  Das Matthäus-Evangelium enthalte die Elemente der ebionitischen  (judenchristlichen ,siehe oben) Lehren, einschließlich die niedere Herkunft Jesu; – nicht aus der davidischen Königslinie.
  •  Matthäus habe seinen Bericht erst bei der Taufe Johannes begonnen, der Rest sei «durch seine Auftraggeber (siehe unten) ergänzt» worden.
  •  Auch das Evangelium der Ebioniten habe erst mit der Taufe des Johannes begonnen.
  •  Die Lebensgrundsätze der Ebioniten seien im Evangelium des Matthäus enthalten.
  •  Die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes bei Matthäus mache dieses zum judenchristlichen.
  •  Dem entspreche die «Strenge gegenüber den Pharisäern» (Lange) ,sowie die Wichtigkeit der
    Beobachtung des Gesetzes in der Bergpredigt (ebenda).
  •  Der messianische Gedanke an ein sichtbares messianisches Reich und ein Gericht entspreche den Ebioniten.
    Lange schreibt dazu:
    «Das Evangelium des Johannes konnte den Ebioniten nicht willkommen sein; und es erhielt sich bereits in der Urkirche die Überlieferung, Johannes habe – als er in Kleinasien war – auf Aufforderung durch die dortigen Bischöfe – sein Evangelium vorallem den Ebioniten, den Cerinthiern und anderen judenchristlichen Sekten entgegengestellt.» – Dasselbe schreibt auch Hieronymus:
    «Johannes schrieb sein Evangelium, da ihn die Bischöfe Asiens darum baten, gegen die Cerinthier und andere Häretiker; – am meisten aber [ging es ihm um] die damals aufkommende Lehre der Ebioniten ... - Iohannes scripsit Evangelium rogatus ab Asiæ episcopis adversus Cerinthum aliosque hæreeticos, et maxime tunc Ebionitarum dogma consurgens ... etc. » 24
    Ebenso Lange in Proœmium Comm. ad Matth: « Als Johannes in Asien war, und als bereits die Saat der Häretiker wucherte: jene des Cerinthus, der Ebioniten und Anderer ... - Iohannes – cum esset in Asia et iam hæreticorum semina pullulerunt, Cerinthi, Ebioniti et ceterorum ... »
  • 1.3. Zum Sieg des paulinischen Christentums
    1.3.1. Paulus und die Judenchristen
    Das Christentum so wie Jesus es verkündigte, ist rein jüdisch und wäre jüdisch geblieben, hätte nicht Hadri an den jüdischen Staat mit allen Konsequenzen vernichtet, und hätte nicht Paulus von Anfang an auf eine Glo- balisierung hingewirkt: Erst damit begann die Ausdehnung des Christentums in der ’heidnischen’ Welt. Diese Phase hatte Paulus jedoch bereits durch seine Umdichtung der christlichen Botschaft vorbereitet.
    Petrus hielt es für rätlich, den Umgang der Judenchristen mit den Heiden zu vermeiden, und auch Barnabas vertrat diese Tendenz (Lange). – Paulus jedoch vertrat die Zielsetzung, möglichst viele Menschen an seine Bot- schaft anzuschließen (katholikè), ohne Unterschied, und mit dem alleinigen Kriterium des Glaubens an seine, des Paulus Lehre.
    Diese Haltung entschied den technischen Sieg des ’Evangeliums’ über das Judentum – und damit auch über das gnostische Judenchristentum. Die Nichtjuden hatten ja keine Kenntnis von den orientalischen Überlieferungen: der Kabbalah, dem Buddhismus, den Lehren der Essener, Syriens und des Zoroaster: Heidenchristen waren vor allem Römer und Griechen – mit deren relativ engem Weltbild.
    Nun standen zwar in allen Gemeinden Leute gegen die Lehre des Paulus auf; – sie vermochten aber nicht, sich gegen die durchdachte Strategie des Paulus durchzusetzen. Ihre Argumente waren:

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  1. Paulus sei kein wahrer Apostel des Herrn
    (wirklich ist seine ’Bekehrung’ eine sehr fragwürdige Geschichte, indem er sein ’Damaskus-Erlebnis’ bei drei Gelegenheiten in drei widersprüchlichen Versionen erzählt).
  2. Beschuldigungen an Paulus, wie Eigennutz, Ehrgeiz, Feigheit, Opportunismus.
    (tatsächlich stellt sich der Thraker Saulus im Rahmen seiner diversen Gefangennahmen dem Sanhedrin gegenüber als in Jerusalem aufgewachsenen pharisäischen Juden dar; – dem Römischen Prokurator bzw. Kommandanten gegenüber aber als römischen Bürger (eigentlich als Patrizier, der er durch Gunst der Flavier gewesen zu sein scheint; – und dies wiederum legt den Verdacht nahe, er sei mit Flavius Josephus identisch: Nur ihre beiden Aussagen über Christen und Umfeld stimmen überein).
  3. Sein Bemühen, das mosaische Gesetz auszuschalten
    (die Beschneidung und die Absonderung von ’Heiden’/Goyim sind typische Themen hierzu).
  4. Pauli Evangelium sei ein menschliches, kein göttliches
    (wirklich erscheinen die vielen ’gnostischen’ Aussagen eigentlich Zitate aus «apokryphen Texten» anderer Gruppen – insbesondere von solchen, die früh ausgeschaltet wurden).
  5. Des Paulus Lehre sei eine andere; sein Jesus sei ein anderer als jener der echten Apostel (daran kann heute kein Zweifel mehr bestehen).
  6. Petrus, Johannes und Jakobus hätten nie die Ungültigkeit des jüdischen Gesetzes gelehrt
    (woraus man auch die Differenz zwischen Johannes und Paulus erkennt, trotz gleicher Zielsetzung).
  7. Die Notwendigkeit eines enthaltsamen Lebens, die Nützlichkeit der Beschneidung, die Einhaltung der jüdischen Festtage, Neumonde und Sabbate, sowie die Enthaltsamkeit von gewissen Speisen
    (vgl. Jes. 1:13-14: das genaue Gegenteil!).
  8. Die Vorsteher der Judenchristen traten in den Gemeinden als kollegiale Diakone auf (Diener, Almosen-Pfleger) – Paulus aber als allwissender Alleinherrscher (Guru).

Die Entgegnungen des Paulus auf diese Vorwürfe, soweit es deren gibt, sind durchwegs schwach und ohne Beweiskraft: Er sei der eigentliche, von Jesus dem Christus ganz persönlich berufene Apostel; – er werde von Jesus Christus ebenso unterstützt wie Petrus (!); – auch er habe das Evangelium von Jesus direkt erhalten – Jene aber seien falsche Apostel. Die anderen Apostel (neben Paulus) ließen das Gesetz intakt, doch stellten sie sich der Methode entgegen, wonach auch den Heidenchristen das Jüdische Gesetz hätte aufgezwungen werden sollen. – Die Verwandtschaft dieser Briefe mit den paulinischen hat in dieser Syntonie ihren Grund. – Lange als Verteidiger von Paulus behauptet plausibel, die Judenchristen hätten den Thessalonichern falsche (chiliastische) Briefe des Paulus zugespielt. 

Typisch an Pauli Lehre ist insbesondere, daß er Jesus Christus höher stellt, als dieser selbst es getan, indem er seine Vergöttlichung taktisch und dogmatisch vorbereitet, obgleich als Vorbereitung der Anerkennung des rö- mischen Kaisers Titus Flavius als Messias und Gott geplant25. – Auch entwarf Paulus ein ganz neues Bild von Jesus; er ließ dazu dessen eindeutig gnostisch orientierten Logien weg. Diese erscheinen dann bei ’Johannes’ und bei Thomas wieder. Als einwandfrei judenchristlichen Brief sieht Lange den Hebräerbrief an (siehe oben). 

 

1.3.2. Die Expansionspolitik des Paulus 

Die heutigen Leser der Bibel sind an die Vormachtstellung des Paulus derart gewöhnt daß sie sie mit keinem Gedanken in Frage stellen. Dabei taucht Paulus a priori als Christenverfolger ebenso unmotiviert in Kanaan auf, wie er anschließend als Promotor und Manager eine völlig neues, von Jesu Botschaft unabhängiges, ja diesem widersprechendes weltweites Christentum vorantreibt. 

Dieser Tatsache wohlbewußt, nimmt Paulus als gewiefter Teppichverkäufer jede Gelegenheit wahr, seinen Anspruch auf seine hervorragende, edelste Stellung als Apostel, als Lehrer, als Kirchenoberhaupt, ja, sogar als ’Sünder’ zu betonen. Der erste Timotheus-Brief beginnt so: 

«Paulus, Apostel Christi Jesu nach dem Auftrage Gottes unseres Heilandes, und Christi Jesu, der unsere Hoffnung ist, an Timotheus, sein echtes Kind im Glauben ... ». – Das ist zweifellos die geballteste Ladung an Marketing-Slogans und herablassender Bevormundung, die in der Bibel zu finden ist. – So überwältigend dick ist das Ganze aufgetragen, daß die Widersprüche fast nicht mehr auffallen: 

nach dem Auftrag [des] Gottes, unseres Heilandes ... ist eine Vorwegnahme der Vergöttlichung dessen, den die Judenchristen als den größten Propheten und Weisen verehren, der aber als Sohn klar definierter Eltern ge- lebt hat. – Der unsere Hoffnung ist, ist ebenso halbwahr, wie der postulierte direkte Auftrag an Paulus seine alleinige, durch nichts und niemanden gestützte Erfindung ist. – Mit Timotheus aber war wohl keine präzise Person gemeint, sondern jeder brav paulinische Gottesfürchtige: timeo – fürchten, theos – Gott. 

-5- 

Dann folgen willkürliche Anschuldigungen an Jene, die eine andere als seine, des Paulus Lehre verkünden, und dies in einem Ton, wie man ihn in den 60-er-Jahren des letzten Jahrhunderts aus Rußland betreffs der Westmächte zu hören gewohnt war. Die Definition des Gesetzes, woran die Juden festhielten, das aber aus paulinischen Gründen fallen mußte, bereitet – und das ist das Interessanteste – bereits sämtliche Invektiven vor, die nachmals an die nicht-paulinischen Christen – «Ketzer» – gerichtet werden sollten. 

Und so geht der ganze Brief fort, mit Eigenlob, mit kühnen Autoritätsansprüchen, mit leeren Sprüchen auch, deren einziger Zweck und Erfolg darin bestand, alle ihm Widersprechenden zu desavouieren und «dem Satan zu übergeben». Einigen späten Interpolationen mögen weitere Abstrusitäten zuzuschreiben sein; – jedenfalls zeigen dieser wie auch der nächste Brief alle Eigenschaften monoman demagogischer Volksreden zum Zweck des alleinigen Machtanspruchs, wie das 20. Jh. sie besonders oft hörte, wenn ein Weg bereitet werden sollte, der anschließend mit Blut getränkt wurde. Das offizielle Christentum ist ja die blutigste aller Religionen: Keine war je – noch ist – widersprüchlicher, intoleranter, blutiger als diese. 

Auch der 2. Petrusbrief ist voll böswilliger Behauptungen bezüglich Andersgläubiger; – insbesondere wenn er sie vergleicht mit unvernünftigen Tieren, die als Naturwesen geboren sind, um gefangen und umgebracht zu werden. Diese Ansicht über unsere tierischen Mitgeschöpfe ist nicht nur eine von der Lehre Jesu ganz verschie- dene, sondern auch eine in Griechenland und Kleinasien damals unbekannte; – aber sie ist typisch römisch26. Fast wörtlich gleich drückt sich auch der Verfasser des Briefs des Judas aus, der bestimmt kein «Bruder des Jakobus» – des ’Gerechten’27 – war. – Gehen wir weiter ... – 

2. DIE OFFENBARUNG BEDEUTENDSTES KIRCHLICHES ARTEFAKT 

Die bekannteste offizielle Hauptquelle betreffend die Nikolaiten ist der «Offenbarung des ’Johannes’» genannte Text des NT. Sie wird in fast allen häresiologischen Werken, die uns im Druck vorliegen, zitiert. Die oben verwendeten Anführungszeichen wollen darauf hinweisen, daß es sich bei dieser «Offenbarung» teilweise um klassische alte Formen aus der Antike (Prophetenbücher des AT, Lehre von den Archonten und Engeln, alte Mythen), teils um zweckmäßig erfundene bzw. klar tendenziöse Passagen handelt, die aus mehrfacher Quelle stammen und zu einem Text verstrickt wurden, der vielen Aspekten bei der Verbreitung der ’christlichen’ Lehre genügte und noch genügt. Die Anführungszeichen zum Ausdruck christlich wollen darauf hinweisen, daß diese Lehre mit der von Jesus dem Christus verkündigten eben fast nur noch diesen Namen gemeinsam hat. Dem gegenüber wird hier im Folgenden die ursprüngliche Lehre Jesu, wie sie vorallem aus nicht- kanonischen Schriften erhellt, nebst mit ihr übereinstimmenden Lehren auch anderer Zeiten und Umfelder christisch genannt. Es ist nun im vorliegenden Rahmen unmöglich – aber auch unnötig – die obigen Behauptungen, die wir für wohlfundiert halten, im Detail zu ’bewei- 

sen’; –werden sie doch durch die Textfunde und durch die Resultate akademischer Textforschung der letzten 30 Jahre durchwegs gestützt. 

Andere «prophetische» Schriften wären viel würdiger, an dieser Stelle zu stehen: Solche nämlich, welche die religiöse Schau des Lesers (Hörers) erweitern, sein Verständnis vertiefen könnten, wie dies in den ebenso «pro- phetischen» Lehren «apokrypher» Schriften der Spätantike der Fall ist. Der Ausdruck Prophetie heißt ja nicht eigentlich Zukunftsschau, sondern einfach Schau im Sinne des «Lesens der Akasha-Chronik». Die «Offen- barung des Johannes» aber ist überladen mit schwer- bis unverständlichen Bildern voller Drohungen und Flüche, ohne einen Ausweg zum Licht: Das ist zutiefst unchristlich, aber sehr paulinisch. 

 

 

2.1. Zur «Offenbarung des Johannes» 

Der Text dieser «Apokalypse» beginnt so: 

«Offenbarung Jesu Christi, die ihm Gott gegeben hat, seinen Knechten zu zeigen, was in Bälde geschehen soll.» 

Dieses Incipit macht gleich mehrere Dinge klar: 

Absoluter Wahrheitsanspruch wird vorweg fest gelegt.
Es soll sich ums Wort Jesu Christi selbst handeln.
Dieser ’Jesus’ soll alle nachfolgenden Aussagen direkt von Gott erhalten haben (’Inspiration’). 

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Der Evangelist Matthäus als von Gott (oder von Gabriel, wie Muhammad) in- spirierter Autor (Lutherbibel, um 1530) 

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  •  Der Autor soll als direkter ’Knecht Christi’– sc. als Apostel–legitimiert werden (!).
  •  Was folgt ,soll in Kürze geschehen – es handelt sich also um eine eschatologische, chiliastisch ausgerichtete Schrift, was allerdings zum ’Johannes’ der Briefe gut paßt.
    Das Ende des Buches dieser ’Offenbarung’ entspricht dem Beginn: Wiederum wird ausdrücklich Jesus Christus als Inspirator genannt; – wiederum erhebt ’Johannes’ absoluten Wahrheitsanspruch und beansprucht das Privileg, ein direkter ’Knecht Gottes’ zu sein; – und damit kein Zweifel aufkommen solle, beschließt er sein Buch mit einem Fluch, der jedem antiken Zauberkünstler Ehre gemacht hätte.
    Dazwischen ist in vielen Varianten die Rede von einem Gott der Rache, nämlich vom Herrn dieser Welt – vom Fürsten des Zornreichs mit allen Eigenschaften des Jaldabaoth bzw. des JHVH. Auch (und nur) im Evange- lium des Johannes wird denen gedroht, die «nicht [an Jesus als Christus] glauben».
    Der größte Teil dieses Buchs bewegt sich ganz im Geiste des AT, watet knöcheltief im Blut das «bis zu den Zügeln der Pferde reicht», auch wenn in geziemenden Abständen von Jesus die Rede ist, und obgleich der Le- ser gerne geneigt ist, die häufige Nennung des Lamms auf Jesus Christus zu beziehen, was inhaltlich aber nur selten paßt. Daß zwischendurch vom Neuen Jerusalem und vom Wasser des Lebens die Rede ist, tröstet kaum über den angehäuften Horror hinweg, der wirklich kein Zeugnis fürs Christentum eines Jesus des Neuen Testaments ist. Das Neue Jerusalem selbst wird beschrieben in Ausdrücken, die an 1001 Nacht erinnern, bzw. an die Edelstein-Magie im Parzival des Wolfram von Eschenbach28.
    Diese Dinge würden schon genügen, zu zeigen, daß es sich bei der Offenbarung keineswegs um ein Stück christlicher oder orientalischer Gnosis handelt; – den Beweis erbringt aber die Abwesenheit der Liebesbot- schaft, die in den Johannesbriefen wenn auch nicht überzeugend, so doch in unzähligen Wiederholungen evoziert wird. Dasselbe gilt für die alttestamentarische Rachelust, die wiederum auf babylonischem Recht (Auge um Auge, Zahn um Zahn) basiert29, bzw. an mongolische, osmanische oder kasarische Schlachtenbe- schreibungen erinnert. Biblisch kommt dazu Balak zu Sinn, der König der Moabiter (Medien, das Land des dritten Japhet-Sohns, Medar oder Madeus genannt – also ein Vetter der Kasaren): Von ihm lesen wir ja in 3 Mo. zum ersten Mal übers Pfählen (das ist das Aufspießen auf einem stehenden Pfahl, vom After aufwärts) – eine Maßnahme, die nachmals besonders bei den osmanischen Türken beliebt war. – Was hat dieses viele Blut, das viele Strafen und Plagen mit Christentum zu tun? – Was mit Gnosis?
    Indessen muß nun auch zugestanden werden – und dies gilt ganz besonders für Punkte, welche die Heiden und Ketzer im Allgemeinen, die Nikolaiten und ihr Umfeld im Besonderen berühren: 
    •  Dem absoluten Wahrheitsanspruch kann kein einziger geschriebener Text genügen: Nur Menschen schreiben.
    •  Hätte Jesus Christus jemals Derartiges formuliert, so hätten mindestens ein Evangelium – ob kanonisch oder nicht, ob die Apostelgeschichte oder einer der Briefe des NT – wenigstens Bruchstücke davon zitiert, oder auf diese so wichtigen, andersartigen Aussagen hingewiesen.
    •  Jesu Aufgabe war anerkanntermaßen eine andere; – insbesondere verweisen seine Worte gemäß allen Evangelien darauf, daß das Reich nicht das tausendjährige Gottesreich dieser Welt ist; – daß unbekannt ist, wann dieses kommt (trotz Stellen wie «...wenn er bleibt, bis ich komme, ... » udgl.); – daß aber seine wahren Jünger so leben sollten, als ob das Reich «über Nacht, wie ein Dieb» hereinbrechen könnte.
    •  Jesus predigte Liebe und Vergebung («siebzig mal sieben mal ...»; – «Segnet, denn dazu seid ihr berufen»); niemals sprach er von Haß und Strafe. Sogar seine Schmähreden an die Philister («Ihr Heuchler ... ») wurden endlich als späte Interpolationen entlarvt.30
    •  Auch betreffs der Autorschaft beweist die Textkritik, daß es sich nicht um den ’geliebten Jünger’ Johannes handeln kann, sondern ... – – aber darauf kommen wir noch zurück.
      Jedenfalls zeigt sich aus dem Vorhergehenden, daß die Ursachen für die Anschuldigungen gegen die Nikolaiten in der Apokalypse bereits bei Paulus und in den unter seinem Namen erschienen Briefen genannt werden - also bevor diese Quellen wirklich existierten! – Andererseits wurde die Apokalypse, Dank der hohen Wert- schätzung, die ihr (nominaler) Autor noch immer genießt, selbst zur Quelle für spätere kirchentreue Rezensen- ten zum Thema «Nikolaiten, Gnostiker und dergleichen Irrlehrer» wurde – vorallem für die Häresiologen unter den Kirchenvätern. Auf sie wird das letzte Kapitel noch zurück kommen.
      2.1.1. Zur Inspiration der Offenbarung
      Der Autor der Offenbarung möchte also den Anschein erwecken, er schreibe sein Buch aus reiner und direkter göttlicher Inspiration, wobei er Jesus Christus mit Gott gleich setzt, was bereits auf die römisch-

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christlichen Dogmen hinweist, die gerade um diese Zeit (2. – 6. Jh.) im Entstehen begriffen waren. Dem gegenüber war die Lehre der Nikolaiten eine doketistische. Das Postulat der direkten göttlichen Inspiration wird indes heute von keinem seriösen Forscher mehr bestätigt: Zu viele faktische Widersprüche und moralische Fehler weisen auf die Menschlichkeit der im kirchlichen Kanon vereinigten Texte hin; –das ist verständlich, und allein sachlich zu verurteilen. Dasselbe gilt – um in neutestamentlicher Zeit zu bleiben – sowohl für die AT-Übersetzung der 72 als auch für die (trotz unzähligen Versionen und Änderungen) als «göttlich inspiriert» festgeschriebenen und für kanonisch erklärten Evangelien des NT: Man denke allein an die über 30 Versionen des Johannes-Evangeliums auf Griechisch. 

Kurioserweise hat – vor dem ’Apostel’ Paulus und dem Autor der Offenbarung – niemals irgend ein Autor denselben Anspruch erhoben: Weder die Autoren der von der Kirche für apokryph erklärten Evangelien, noch jene der kanonischen, noch auch ein Autor einer anderen entsprechenden Schrift (Interrogationes Johannis31, Mysterien der Pistis Sophia 32 etc.). – Und dies, obgleich gerade die unzensierten Texte (z.B. Thomas-Evan- gelium33) besonders betreffs der Aussagen Jesu oft wörtlich übereinstimmen. Auch Jesus selbst sagte nie: «Gott sagt durch mich ...», sondern stets «ich aber sage euch ...». – Apokryphe Evangelien widersprechen einander auch nicht, was man von den Texten des NT gerade nicht behaupten kann. 

Der selfmade Apostel Paulus, der gemäß neuesten Forschungen mit Flavius Josephus, dem begabten Autor und Haus-Historiker der Flavier identisch sein könnte34, warb zwar um Anhängerschaft, indem er hervorhob, er sei der von Jesus dem Christus ganz persönlich berufene Apostel (siehe Pkt. 1.3.1); – doch hat er sich nie einer so übertriebenen Legitimation bedient, wie: seine Inspiration komme direkt von Gott. Noch weniger taten das die Autoren der unter seinem Namen (besser gesagt: unter seinem Pseudonym) kanonisierten Briefe. Auch deren Autorschaft ist ja äußerst fraglich, u.a. weil sie einander teils innerlich widersprechen, teils völlig andere Lehren vertreten. Lange35 hat in seinem umständlich recherchierten, wenn auch klar paulinisch orientierten Buch nachgewiesen, daß z.B. der Autor des Hebräerbriefs sowie jener des Matthäus-Evangeliums ein Juden- christ sein müsse, während das Lukas-Evangelium das paulinische sei und jeglicher Johannes ein Heidenchrist gewesen wäre. 

2.1.2. Zur Autorschaft des Johannes 

Noch heute wird weithin angenommen, der Johannes der Apokalypse sei mit dem «geliebten Jünger Jesu» identisch. Dies ist aber ganz unmöglich: Der Jünger Johannes – selbst wenn er ein jüngerer Bruder des Herrn war – war bei dessen Kreuzigung um die 40 Jahre alt, wie Jener auch (geboren im Jahr -7; siehe Jo 8, 57). Bei damaliger Lebenserwartung mußte er also Ende 1. Jh. längst gestorben sein. Der Autor der Apokalypse aber lebte gleichzeitig wie die Nikolaiten: Das ist heute die allgemeine Meinung und kann auch dem Text entnommen werden. Die Nikolaiten nun kamen gegen Anfang des 2. Jh. auf, wie die Literatur übereinstimmend fest- stellt; – und vom 2. Jh. bis Mitte 3. Jh. entstand gemäß der modernen Textkritik auch die Apokalypse selbst. – 

Daß übrigens Patmos nicht als geographischer und biographischer Ort des ’Johannes’, sondern als spiritueller Begriff anzusehen ist, wurde durch moderne Autoren mehrfach betont; – ebenso, daß Johannes – hier wie oft – nicht der Name der so benannten Person war, sondern eher ein spiritueller Titel. 

Hat also der Autor der Apokalypse früher gelebt als im 2. Jh. (Variante ’Jünger’), so kannte er die Nikolaiten nicht, konnte sie also auch nicht beschimpfen. Hätte er aber z.B. Mitte des 3. Jh. oder später gelebt, so hätte er sich zweifelsohne eine andere, militanter gnostische Gruppierung als Zielscheibe gewählt und deren Besonderheiten auch in der Apokalypse selbst spezifisch getadelt: an ähnlichen Gruppierungen christlichen Einschlags war ja wirklich kein Mangel! - Daß der ’Johannes’ der Apokalypse dies nicht tat (während spezifische Textkritik entsprechende Stellen in Jo-Evangelium und -Briefen auf die Nikolaiten bezieht), deutet auf einen Zeitpunkt hin, an dem der Begriff Nikolaiten bereits als ein Genericum verstanden wurde, – also als ein Sammelbegriff für allerlei Menschen und Gruppen, denen seit Epiphanius dieselben ’Ketzereien’ angelastet wurden wie den Nikolaiten; – und dies geschah ab dem späten 2. oder mittleren 3. Jh.36 

Die Verunglimpfung der Nikolaiten wird denn auch regelmäßig – insbesondere innerhalb der Bibel selbst – von keinem späteren Autor verschwiegen, wie man noch sehen wird: Unzucht und Vielweiberei sowie das Essen von Opferspeisen. Andere ’Vergehen’ betreffen ihre ’Ketzerei’ (die ausschließlich bezüglich der paulini- schen Doktrin eine solche war), werden aber in der Bibel nicht gesondert genannt. Sie können kurz zusammengefaßt werden in dem einen Begriff: Nicht-paulinische Lehren. 

Denn dies ist ja der Hauptunterschied zwischen Judenchristen und Römischen: Daß erstere die Lehren aus dem vorderen Orient kannten (einschließlich der Kabbalah, deren breite Wurzeln sehr weit in der Zeit zurück reichen), und daß gerade aus solchen Elementen die Lehren der Gnostiker hervorgingen, die durch Rom jahrhundertelang – und bis in die Neuzeit – verfolgt und systematisch ausgerottet wurden. – Doch mehr darüber später. 

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2.1.3. ’Johannes’, der Heidenchrist 

Ebenso selbstverständlich wird im Allgemeinen angenommen, der Johannes der Apokalypse sei ein kanaan- itischer Jude gewesen. Dazu folgende Bemerkung: Den Begriff Palästina gab es damals noch nicht; die fragli- chen Gegenden hießen Philistina, Samaria, Galiläa, Judäa etc., gemäß den Stammesbezeichnungen der Einheimischen bis zu den makabäischen Kriegen, d.h. bis zur Judaisierung von Kanaan um 70 v. Chr. (nicht früher!); also bis zur antihistorischen biblischen Umbenennung nach den mythischen «12 Stämmen Israels»). – 

Daß aber dieser Johannes ein kanaanitischer Jude gewesen wäre, ist nicht erwiesen; – im Gegenteil, es spricht viel dafür, daß er ein Grieche – also ein Heidenchrist war. Lange fand denn auch, daß ’Johannes’ seine Apokalypse als Gegner der Judenchristen schrieb, die sich zu jener Zeit entsprechend der Befürchtung des Paulus37 in Kleinasien «allzusehr ausbreiteten» – und zwar von Pella aus, wohin sie sich vor Hadrian bei dessen Besetzung Jerusalems geflüchtet hatten. Wahrscheinlich kamen sie auch dort mit den syrischen Lehren über Kosmogonie, Aeonologie und Archonten (vgl. Pistis Sophia-Schrift) sowie mit der Qabbalah in Kontakt. 

Dadurch sah Rom seine Vormachtstellung im Vorderen Orient gefährdet. Es ist ja bekannt daß eine Staats- religion einen starken Machtfaktor darstellt, was für materialistische Staatsführer wie einen Kaiser (ob Cäsar Zar oder kasarischer Kagan) die einzige Motivation ist, sich damit zu beschäftigen. Letztere Aussage von Lange ist umso glaubwürdiger, als sie seinem (ansonsten paulinischen) Standpunkt entgegenkommt, indem der ’Apostel Johannes’ (der mit dem geliebten Jünger nicht identisch zu sein braucht) bzw. seine Gruppe – so Lange – sich in Jerusalem mit jener von Paulus vereinte. Und daß der Auftrag des Paulus ein machtpolitischer war, daran kann kein Zweifel mehr bestehen. 

2.1.4. Der Autor der Apokalypse war kein Gnostiker 

Auch wird (vor allem von Seite gnostisch orientierter Gruppen) stets gerne angenommen, der Autor der Apokalypse sei ein Gnostiker – oder habe den Gnostikern zumindest nahe gestanden. Die reichlich in die Johannes- Schriften eingestreuten gnostischen Zitate und authentischen Jesus-Worte seien die Überzeugung des Joannes gewesen. Nichts trifft weniger zu. Denn sonst hätte der zweifellos gewußt, 

  •  was die Bedeutung der Agape genannten Brudermahlzeit nach den gnostischen Gottesdiensten war.
  •  daß die Nikolaiten das Essen von Fleisch verabscheuten (wie selbst die Kirchenväter berichten und wie es für die Nachfolger der Ebioniten auch zu erwarten ist). Mithin aßen sie sicher auch kein Opferfleisch. Das Essen von Opferkuchen aber war unter Sonderumständen ausdrücklich erlaubt.
  •  daß sie gemäß der asketischen Lehre die Enthaltsamkeit von der Ehe empfahlen aber nicht erzwangen (vgl. die Geschichte von Nikolaus und seiner Ehefrau, bzw. die Schrift von E.R. Roth38)
  •  daß das Essen von Opferspeisen für Götzenbilder kein Vergehen gegen das Gesetz sei (ebenda).39, und noch 40, 41, 42).
    Diese Unwissenheit ihres Autors relativieren manche Aussage der ’Offenbarung’ – so tief dieser Text an manchen Stellen auch sei, der ganz gewiß unter Anderem auch aus ägyptischen und orientalischen Traditionen – insbesondere aus jener der chiliastischen Endzeit-Lehre und der syrisch-chaldäischen Qabbalah – inspiriert ist. Solch fundierte Übertragungen relativieren vorallem die unguten Stellen, um die es hier geht: Die Verdam- mung der Nikolaiten aufgrund vorsätzlich oder aus Unwissenheit falsch interpretierter Verhaltensweisen. Zusammenfassend zum dogmatischen Stellenwert der Apokalypse kann man ohne Übertreibung sagen:
    Der Autor der Offenbarung schrieb keineswegs aus reiner Inspiration.
    Er hatte im Gegenteil ganz konkrete kirchenpolitische Ziele im Auge.
    Er predigte nicht Jesu Liebesbotschaft ,sondern babylonisches Recht43, AT und Kabbalah. Er war kein Gnostiker, sondern stand dem paulinischen Christentum sehr nahe.
    3. DIE ’HÄRESIOLOGIEDER KIRCHENVÄTER

3.1. Häresie – strategische Erfindung der Kirche 

Der Titel sagt es schon: Die Kirchenväter sind die Erfinder häresiologischer Systeme und Aufzählungen – und mithin auch der Verurteilung der so ’analysierten’ Gruppen. Ohne Kirchenväter keine Häresie; – ohne die Kirchenväter als offizielle Vertreter einer zuerst noch gar nicht existierenden Kirche und einer noch während Jahrhunderten im Auf- und Ausbau begriffenen, zweckmäßig synthetisierten und systematisierten Doktrin; – ohne diese –aus wessen Gnade auch immer – ’heiligen Kirchenväter’ und ihr unermüdliches Engagement, wäre das gnostische Christentum ins Judentum eingegangen und hätte dort (nach dem Verschwinden der anti- römischen Parteien) entweder das ganze Judentum verändert und vergeistigt, oder es hätte eine dem Judentum der Pharisäer und Schriftgelehrten äquivalente Strömung ergeben. Stattdessen entwickelte sich das esoterische 

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Judentum im Untergrund weiter (Kabbalisten und Chassidim); – sein ’Jesus-Zweig’ aber wurde umgeknickt und zu einer neuen Staatsreligion Roms umfunktioniert. 

Indessen – «der Geist weht wo er will»: Der Wind kann nicht in Säcke gesperrt werden, und die einmal entstandene breite esoterische Bewegung jener Zeit konnte nicht abgetötet werden. Für den heutigen Betrachter entsteht so das Bild, das in damaliger Zeit der Jordan im Sommer gezeigt haben mag: Eine sehr breite Talsohle, kreuz und quer durchfurcht von zum Teil ganz ausgetrockneten, teils aber auch spärlich oder munter sprudeln- den Rinnsalen. Manche versickerten, um andernorts wieder aufzutauchen oder sich mit anderen Rinnsalen zu vereinen; – aber immer gab es Grün, Bäume und Büsche ... – und auch Vögel und anderes Getier auf der Durchreise aus fernen Ländern machten hier Halt ... – 

Genau so zeigt sich uns eine Vielfalt von Lehren; – ’häretische’ Bewegungen – Schismata aus einer Einheits- Lehre, die es noch gar nicht gab, deren Eckpfeiler jedoch von Anfang an strategisch klar definiert waren: 

  •  Zerschlagen der jüdischen Anstrengungen ,selbständig zu werden (Hasmonäer).
  •  Zerschlagen bzw. dominieren aller geistigen Bewegungen im vorderen Orient zugunsten einer
    einzigen Lehre (nach der alten Strategie des «teile und herrsche»).
  •  Alleinbestimmung über diese Lehre zugunsten einer absoluten Weltmacht Rom.
  •  Stärken der Hegemonie Roms durch entsprechende Handels-und Flottenstützpunkte,weltweit.
  •  Stärken der politischen Vormacht des cäsarischen (kasarischen) Rom mit kriegerischen Mitteln westlich des Indus; in einer späten dritten Phase auch östlich davon (diese steht heute noch bevor).
  •  Handlungs-Unfähigkeit der ganzen Welt ohne Zustimmung Roms (heute weitgehend erreicht).
    Der zweite Punkt wird illustriert durch das doppelte Rom des Constantinus (Westrom und Ostrom) sowie durch die Konstruktion ex nihilo des Islam auf der Basis des AT (sowohl ’Isaakiten’ als auch ’Ismaeliten’ sind ’Abrahams-Söhne’, also ’Semiten’; der Gnostizismus ist aber das chamitische Erbe). – Damit bestätigt sich auf eigenartige Weise der Spruch des Epiphanius: ROM (nicht die katholische Kirche) «ist der Anfang {principium = caput} von Allem». – In Wirklichkeit also für den Westen: 
  • Es begann mit dem Trojanische Krieg!
  • 3.2. Versuch einer Systematik

  • Man halte diesen Exkurs bitte weder für unnötig noch für weitschweifend: Nur indem man diese Zusam- menhänge versteht und beherzigt, begreift man die kolossale Strategie hinter dem gesamten Weltgeschehen. Nur so erkennt man, daß die komplizierte, weitgefächerte Häresiologie der Kirchenväter ein in seiner Art bewundernswürdiges Kunstgebäude ist. Was nämlich die Substanz der Anschuldigungen an die scheinbar so verschiedenen ’Häretiker’ betrifft, so kommt man nach gründlichem Studium der Quellen zum Schluß, daß hinter den diversen Lehren der ersten drei Jahrhunderte unserer Ära, die alle gnostisch orientiert sind, im Wesentlichen zwei Ursprünge stehen:
    3.2.1. Die Herkunft der ’häretischen’ Lehren
    Die eine ist das, was Außenstehende in der heutigen Form «die jüdische Kabbalah» nennen. Diese Lehre oder Tradition (denn Qabbalah bedeutet vorallem Überlieferung) ist der Rest eines viel größeren philosophischen Ge- bäudes, dessen Fundament wir heute nur bis nach Chaldäa zurück zu verfolgen vermögen (die berühmten «drei Könige aus dem Morgenlande» kamen aus ’Chaldäa’, einem mesopotamischen Teil des alten Großreiches Sabah = ’Morgenland’). An diese Überlieferung knüpft auch Wolfram von Eschenbach in seinem Parzival an, wenn er u.a. von der Sternenweisheit und von der Sternenschrift des ’Flegetanis’ (’Balgach’ = Baghdad) spricht44. Die so verstandenen Sterne (vorallem die zwölf Planeten, wovon heute erst zehn offiziell bekannt sind) sind auch mit den zwölf Sephirot verwandt, wovon nur zehn offen genannt werden. Das mittelalterliche Konzept des Sternenwegs der Eingeweihten ist ursprünglich ebenfalls ein Element dieser Sternenweisheit.
    Die zweite Quelle, deren Alter vielleicht gleich, deren erster Ursprung vielleicht derselbe ist, ist die Lehre über die Entstehung der Archonten und Äonen, welche die Gnostiker in Kleinasien (Groß-Syrien) verbreiteten. Wie die Lehre vom Baum der Sephirot ist auch die gnostische Äonologie eine Emanationslehre, die beschreibt, wie der Eine, Unkennbare, Unnennbare, Unbegreifliche sozusagen Bilder oder Aspekte schuf, welche gewisse seiner Eigenschaften, Kräfte und Wirkungen erst rein geistig, dann immer wahrnehmbarer manifestierten: Das unsichtbare (sozusagen ultrahelle) Licht umhüllte sich zunehmend mit Hüllen von sich verdichtenden Schatten, wodurch es erst sichtbar, dann spürbar, dann faßbar wurde – bis herunter zur stofflichen Welt, die auch ’Finsternis’ genannt werden kann: «Ohne die Sephirot – ohne Wahrnehmung der Aspekte der Manifestation Gottes – gibt es keinen Gott» bringt die Qabbala es auf den Punkt.
    Beide so gedachten Quellen enthalten heimlich als Kern die Manifestation dessen, was man SOHN nennen kann, und was in beiden Systemen genannt wird: Synthese der Gegensätze, Wort, Logos, Dat, Kind, Frucht

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u.s.w. – Auch ist ganz selbstverständlich, daß die dritte Lehre, nämlich die synthetische Lehre Roms in ihrer globalen Strategie und aus Anlaß des messianischen Christentums die subtilen Nuancen der Qabbalah und jene der gnostischen Äonologie berücksichtigen weder wollte noch konnte. Denn das Ziel in den Systemen beider oben erklärter Quellen besteht darin, daß der Mensch in freiem Willen eine Anzahl Bedingungen erfüllen lernt, die erlauben, daß er (bzw. sein Mikrokosmos) zum Vater aufsteigen kann – zu jenem Urlicht, das Ein-und- Alles ist, und woraus Alles entstand. In beiden Systemen ist die Rede von einem Aufwärts führenden Pfad in diesem höchsten Sinne. Jesus sagte, ganz im esoterischen Sinne: Ich bin die Tür! – Die Tür, das ist in der Qabbalah Jesod! - Da aber das Mark dieser Selbst-Erlösungslehren aus Selbstlosigkeit (Ich-Vergessenheit), Selbstverantwortung und Liebe besteht, sind auch beide für die Zielsetzung Roms untauglich. – 

Nach diesen Vorbemerkungen kommen wir nun zurück auf die Kirchenväter und ihre Häresiologie: 

3.3.2 Orthodoxie und ’Häresie’ 

Zwar gab es wirklich auch Gruppen, die zeitlich aufeinander folgten – eine ’Schule’ konnte aus einer oder mehreren anderen hervorgehen; – mehrere Schulen konnten zugleich gewisse Elemente betonen oder bevor- zugen. Diese Elemente sind: 

  •  Chiliasmus –die Lehre vom Tausendjährigen Reich dieser Welt, das alles Unglück und alle Ungerechigkeit des irdischen Lebens ersetzt durch eine Neue Welt-Ordnung der Liebe und des Friedens.
  •  Eschatologie– die Lehre von den vier Weltzeitaltern und der Endzeit, dem Ende dieser Welt.
  •  Asketismus- die Lehre, daß das neue göttliche Friedensreich nur erlangt werden könne unter der Voraussetzung des Abschieds von dieser Welt der Gegensätze dadurch, daß man sich möglichst davon distanziert. - Also: Vernünftiger Verzicht auf Alles, was nicht unbedingt lebensnotwendig ist, auf Alles was die Bindungen zu dieser Welt und ihren «sinnlichen Freuden» verstärken kann – in erster Linie Verzicht auf Fleisch, Wein, Beischlaf; – in letzter Konsequenz auch Verzicht auf Musik, Kunst, Tanz, Kleider, zivilisierte Nahrung (vgl. die indische Jain-Sekte). – Der «vernünftige Gottesdienst» besteht in der bewußten Freiwilligkeit.
  •  Messianismus – die Lehre von einem in der Welt auftretenden königlichen Gottessohn, der Alles in Ordnung bringt, selbst die Herrschaft dieser Neuen Weltordnung übernimmt und die Menschen («die Lebenden und die Toten») «richten» wird, wobei dies ursprünglich nur bedeutete: Wer die Bedingungen erfüllt, steigt ins ‹himmlische› d.h. göttlich-geistige Lebensfeld auf; – wer sie nicht erfüllt, muß nochmals ins irdische, d.h. animalisch-stoffliche Leben – ‹Hölle› und physischer Tod – zurück kehren. Als dritte Möglichkeit erschien dann die vollkommene Vernichtung, d.h. Auflösung eines Mikrokosmos, verbunden mit der Rückkehr all seiner Komponenten zu ihrem Ursprung, zu den Vier Elementen. Diese Vorstellung wurde bald zum Drohmittel für Ungehorsame im menschlichen Sinne: Mittel zur besseren Manipulierbarkeit der Massen, in Form des Schreckensbilds einer Hölle mit ewiger Verdammnis.
    Zu diesen teils naturreligiösen, teils philosophischen Elementen kamen nun Teile der neuen ’christlichen’ Doktrin Roms, die man als die ’paulinische’ kennt, nach Paulus, dem aus sich selbst oder durch die Sippe der Flavier mandatierten «Apostel Jesu Christi». Diese Teile sind:
    Die effektive Göttlichkeit Jesu (wie so viele göttliche Abgesandte in alten Mythen der Welt)
    Seine Geburt aus einer Jungfrau (wie so manche heidnische Sonnen-Helden vor ihm)
    Seine zugleich menschliche und göttliche Natur (in wörtlich-symbolischem Sinn: der Sphinx)
    Seine Qualifikation als Messias der Juden (besonders seine Abkunft vom mythischen König David) Sein Leiden und Tod am Kreuz («verschuldet durch die Juden») –und seine Auferstehung
    Die leibliche Auferstehung aller Toten am Letzten Tag dem «Tag des Gerichts»
    Die völlig erfundene Mandatierung durch Jesus des Petrus als Oberhaupt der Kirche (analog zu Paulus).
    Die Einsetzung von rein kirchlichen Sakramenten als «Testament Jesu»
    ... und was der vielen immer detaillierteren z.T. dem Orient nachempfundenen, z.T. frei erfundenen Lehren, Privilegien und Vollmachten der Kirche Roms und ihrer Repräsentanten sonst noch sind ...
    Diese besonderen Elemente also wurden über die beiden genannten ’Quell-Konzepte’ gelegt, bzw. abgelehnt, was die unterschiedlichen Gruppen von ’Häretikern’ ergab. Gleich gelagerte Gruppen wurden im Urteil der Häresiologen getrennt, indem man der einen dieses, der anderen jenes Kriterium unterschob, und indem man die tatsächlichen Verhältnisse lustvoll – heute würde man sagen: für die religiöse Regenbogenpresse der Kirche – überzeichnete oder ganz umkehrte – pervertierte: «Divide et impera!»
    Unter den bemerkenswertesten häretischen Vorstellungen ragen diese hervor:

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  •  Christus sei nicht körperlich erschienen, sondern wie der Schatten einer menschlichen Phantasie- Vorstellung (Doketismus).
  •  Christus selbst sei eine Taube, die auf die 12 Aeonen niedersteigt, i.e. auf die 12 Apostel,und einer davon würde fallen.
  •  Die fleischliche Auferstehung sein nicht Fleisch, sondern die Vier Elemente
  •  Christus habe die vier Qualitäten Feuchte, Trockenheit, Kälte und Wärme aufgenommen und zuletzt an
    die Vier Elemente wieder zurückgegeben, was er von der Erde angenommen hatte.
  •  Die Manichäer stammten von einem Perser namens Manes oder Turbo.
    3.2.3. Alte Texte – Neue Funde
    Aus dieser Entwicklung heraus, und weil die von den Häresiologen angegebenen Kriterien oft irreführend sind, kann auf eine ausführliche Aufstellung der ’Häresien’ verzichtet werden – und dies noch aus einem wei- teren Grund: Bis vor ca. 100 Jahren war man bezüglich dieser Bewegungen fast ausschließlich auf die Beurtei- lung der Kirchenväter und von deren Epigonen angewiesen – einschließlich der Bibel mit ihren in weiten Tei- len (zu bekannten Zwecken) willkürlich redigierten Texten. Zu diesen Texten gehören auch die Schriften, deren Autor ’Joannes’ / ’Jochannan’ benannt wird. Die Tatsache, daß besonders das Johannes-Evangelium und die Apokalypse gnostische Elemente enthalten, ließ die Leser während Jahrhunderten über völlig unmotivierte, ja, der Lehre Jesu diametral entgegengesetzte Aussagen hinweg sehen. Zu diesen Aussagen gehören alle Formen von Straf-Androhungen, alle Formen der Verurteilung – insbesondere Andersgläubiger und sogenannter ’Heiden’ – sowie alle Hervorhebungen (Eigenlob, Privilegien) der eigenen Person durch den jeweiligen Autor. – Auf Einzelheiten brauchen wir nicht einzugehen.
    Im 19. Jh. jedoch begann eine eigentliche orientalistische Sprachforschung, wurden dank Übersetzungen alte Texte bekannt: Von den Veden und Upanishaden über die Hieroglyphen bis zu originalen Texten der mittelalterlichen Manichäer – darunter auch Übersetzungen originaler gnostischer Texte – kam mehr und mehr Material ans Licht. Das 20. Jh. sah die Entdeckung sehr vieler verloren geglaubter Schriften, bzw. zeitgenössischer Kopien davon, vor allem in Nag-Hamadi. - Heute ist man in der Lage, sehr viele Fälschungen in den so lange für «göttliche Inspiration» gehaltenen Bibeltexten zu identifizieren – von zumeist absichtsvollen Fehlübersetzungen ganz abgesehen.
    Zu den so vorsätzlich in die Bibel gesetzten Meinungen, Urteilen und Fehlinformationen gehören auch die da und dort auf gnostische Häretiker im Allgemeinen, auf die Nikolaiten im Besonderen gemünzten abfälligen Be- merkungen oder expliziten Fluch-Worte. Es war höchste Zeit, so glauben wir, daß dieser verfinsternde Schleier gelüftet, das unberechtigte Tabu gebrochen und die wirklichen Verhältnisse ans Licht gebracht wurden, soweit es hier möglich war. Das dadurch entworfene Bild könnte verfeinert und differenziert werden, doch würde das nicht viel ändern. – Viel nützlicher und wünschenswerter erschiene es, daß die beiden Quellen – Qabbalah und gnostische Äonologie noch klarer ausgearbeitet und ihre gemeinsame Quelle im Nebel fernster Vergangenheit gefunden werden möchten. Doch kehren wir zu unserem Beispiel – den Nikolaiten – zurück.
    4. DIE NIKOLAITEN ALS SÜNDENBÖCKE
    In den letzten fast 2000 Jahren wurden zahllose Bücher, Artikel und Rezensionen über die Nikolaiten und deren verurteilende Nennung in der Bibel verfaßt; – fast stets aus der kirchlich orthodoxen Sicht, die noch heute keine andere Lehre zuläßt und darum immer bestrebt war, die Berechtigung dieses vernichtenden und ganz un- christlichen Urteils zu zementieren.
    Allein dies würde eine Studie rechtfertigen mit der Fragestellung: «Warum wurden im Lauf der Jahrhunderte die Stelle Apoc 2, 1-7 (und entsprechende übrige) so häufig und so eindringlich verteidigt, da es doch nirgends einen Angreifer dagegen gab? – Und warum stellte nie jemand diese so ganz nicht zur Botschaft Jesu passende Passagen in Frage? – Die Antwort scheint naheliegend: Weil die Bibelstellen als sakrosankt akzeptiert wurden; – weil die Kirchenväter für sakrosankt gehalten wurden; –weil die These durch sich selbst begründet und mit kirchlichen Machtmitteln zementiert wurde.
    Ein so stark vereinfachtes Urteil – wie berechtigt es Ends aller Enden auch sei – erschien allzu unwissen- schaftlich, daher unhaltbar und bedurfte des eingehenden Studiums. Dieses genaue Studium zeigte immer deutlicher, wie schwach jene Stellen zugunsten der Ketzerjagd abgestützt sind; – wie wenig faktische Authentizität sich dafür festlegen läßt, und welch dramatische Konsequenz aus diesen Tatsachen folgt: Für den Hegemonie-Anspruch der Apokalypse im Rahmen des NT, für den historisch-dogmatischen Wahrheits- anspruch des NT im Rahmen aller religiösen Schriften – nicht nur des Christentums, sondern auch der benachbarten Religionen; – und für die Glaubwürdigkeit der christlichen Doktrin ganz allgemein und unter

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allen möglichen Aspekten. Ein ernsthafter und ehrlicher Forscher sieht sich deshalb vor die folgenden drei wichtigsten summarischen Postulate gestellt: 

1. Bekennen wir heute ehrlich die Erkenntnis, daß keine von Menschenhand verfaßte Schrift den An- spruch erheben kann, rein und unverfälscht aus göttlicher Inspiration geflossen zu sein und daher das göttliche WORT in Reinheit, Wahrheit und Vollkommenheit vermitteln zu können. 

2. Bekennen wir, daß wahrer, innerlich erlebter Glaube an eine autonom gewählte Lehre jederzeit unab- hängig ist von jeglicher Schrift, mithin auch von jeder historischen Personifikation durch einen ’Evangelisten’, ’Propheten’, ’Heiligen’ - wie immer die Namen und Titel heißen mögen. Selbst die christliche Religion als solche bliebe gleich, hätte Jesus nicht real gelebt: Der Unterschied liegt in der kosmischen und makrokosmischen Bedeutung dieser konkreten Fleischwerdung des Geistes am Beginn einer neuen – der Fische-Ära. In der aufsteigenden Wassermann-Ära – der Ära des Neuen Bewußtseins werden die Konsequenzen daraus erst richtig sichtbar werden^. 

3. Bekennen wir auch die unausweichliche Tatsache, daß, wer immer irgend einer Form des ’Monotheis- mus’ – oder eines Theismus mit einem höchsten Vatergott – huldigt, im Kern denselben Gott bezeugt, denselben Weg beschreitet, dasselbe Ziel anstrebt – ob Christ, Jude, Muslim oder wer auch immer; – und daß wir darum in Wirklichkeit Alle Brüder und Schwestern auf demselben Pfad sind: Die Vielfalt der Religionen soll nicht zu Kampf und Streit Anlaß sein, sondern zu Schönheit und Freude: Das muß – da sie früher nicht ausgesprochen werden durfte – die religiöse Devise des neuen Jahrtausends sein! 

4.1. Zum Begriff der Nikolaiten in der Apokalypse 

Nochmals sei Lange (a.a.O.) zitiert (Auszeichnungen vom Autor des Gegenwärtigen): 

«Der Verfasser der Apokalypse entwirft nur, seinem Zwecke gemäß, ein Bild im Umrisse von (den Nikolaiten), aus dessen Hauptzügen wir erkennen sollen, daß Jene in ihren Grundsätzen von den bei Paulus und Judas45 geschilderten nicht wesentlich verschieden gewesen seien. Diese bezeichnet er mit dem Namen Nikolaiten, was eine Übersetzung des hebr. myl(b – Bileam {Baalam; vgl. die Chilam-Balam bei den Maya’s} ist ... - Auch Bileam wird bei Mose {4 Mo 22-25} als Pseudoprophet bezeichnet. Auch ihm {und auch ihm zu Unrecht!}wird vorgeworfen, das Volk zu Götzendienst und anderen Lastern verführt zu haben, und es mag hierin auch der Grund liegen, daß man [die Nikolaiten] in den Gemeinden von Seiten der apostolischen Christen Bileamiten nannte.» 

Hier ist es hilfreich, die Geschichte von Bileam, dem esauitischen Magier zu kennen – als einer der drei Magier, denen Mose und Aaron beim Pharao gegenüberstanden - wie sie im Buch Jasher geschildert wird46. – Die «Verführung durch Bileam ...» war in Wirklichkeit eine biologische Kriegslist der Moabiter47, als Bileam das Feld längst geräumt hatte: Die Moabiter verlockten die Israeliten zum Umgang mit ihren Frauen und zur Teilnahme an ihren Opfern und Opfermählern48. – Doch wird die Schuld auf Bileam geschoben, weil er sich geweigert hatte, Israel zu verfluchen – und dies unterstreicht einmal mehr, wie viel mehr die christliche Kirche sich dem AT verpflichtet zeigt, als dem N.T. (siehe Bemerkungen unter Punkt 2.1.4.). 

Daß die Nikolaiten selbst sich diesen Namen beigelegt und überhaupt eine eigene Sekte gebildet haben soll- ten, hält Lange für unwahrscheinlich, mit dem Argument: Auch die Menschen um den historischen Jesus hätten sich keinen eigenen Sammelnamen gegeben. Der Verfasser der Apokalypse (so Lange) habe aber ihren hebrä- ischen Namen Bileamiten mit Nikolaiten übersetzt {Lange belegt das aber nicht!}, der auch im Griechischen gut benutzt werden konnte. Dies sei der Grund, weshalb es nach Niederschrift der Apokalypse üblich wurde, Leute, die in ihrem Leben oder in ihren Grundsätzen jenem sittlichen oder religiösen Feindbild ähnelten, mit dem dann bereits herkömmlichen Namen Nikolaiten zu bezeichnen (später: als Manichäer). 

«Diese unsere Darlegung» – so Lange – «wird ... durch die Berichte der Kirchenväter bestätigt: Diesen lag wenig daran, über den Ursprung der Menschenklasse sich genauer zu informieren, der sie bald auch in dem Diakonus Nikolaus einen Stifter anzudichten wußten. Was sie jedoch von einer Sekte berichten, welche zur Zeit der Apostel gelebt, stimmt mit den Worten der Apokalypse über die erwähnten Nikolaiten überein49». 

Im Folgenden wird aber die ’Sekte der Nikolaiten’ als solche angenommen, werden die vorhandenen histo- rischen Angaben als zutreffend vorausgesetzt, werden die stets wiederholten Vorwürfe neben weniger bekannte Tatsachen gestellt: Der relative Wert der Aussagen ist zumeist durch den Ton der Autoren gegeben. 

4.2. Die hauptsächlichen Vorwürfe an die Nikolaiten 

Bevor die detaillierten Beschuldigungen durch die verschiedenen alten und neueren Autoren – bis hin zu den neuesten enzyklopädischen Werken – aufgezählt und gruppiert werden, um den Pauschalvorwurf des Autors der Apokalypse prüfen und beurteilen zu können, hier eine Zusammenstellung, worin alle Quellen summarisch berücksichtigt werden: 

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4.2.1. Der Vorwurf der Sittenlosigkeit, Vielweiberei, Hurerei 

Den Nikolaiten wurde vorgeworfen, jeder Art der Promiskuität zu frönen; – dies aufgrund einer falsch interpretierten (bzw. pervertierten) Anekdote über Nikolaus; – und die geht so: 

Nikolaus, einer der sieben antiochischen Diakone sei von den Aposteln ernannt und als Tutor für die griechischen Witwen eingesetzt worden. Er selbst sei mit einer besonders schönen Frau verheiratet gewesen. Man habe ihn in diesem Zusammenhang der Eifersucht bezichtigt (d.h. einer für einen Nachfolger Christi unwürdige Hal- tung), worauf er gesagt habe: Wer immer sie wolle, könne sie nehmen {wir ergänzen logisch: falls seine Frau einwillige, sich von ihm zu trennen}. 

Die verallgemeinerte böswillige Interpretation dieser Anekdote hieß: «Die Nikolaiten vertauschen wahllos ihre Frauen untereinander; – wer immer will, der darf». Von hier bis zur lustvollen Beschreibung aller Nuancen auch der unsinnigsten Unsittlichkeiten – bei Epiphanius mehrfach über eine ganze Folio-Seite – ist es nur ein kleiner Schritt. Die Autoren nach Epiphanius wiederholten dessen Märchen, und Jeder schmückte sie noch mit einer eigenen kleinen oder größeren Obszönität. 

Die Ursache, weshalb gerade die der Keuschheit und Enthaltsamkeit verschriebenen Kirchenväter dieselben durch die absurdesten Obszönitäten kompensierten, wurde bereits anderweitig kurz erläutert.– Andererseits gibt es – nach einem außerordentlich hohen Reinheits-Ideal beurteilt, wirklich keinen Unterschied des Beischlafs; – eine Sichtweise, deren konsequente Strenge der übrigen Menschheit, und besonders den höchsten Kirchen- vertretern am Anfang unserer Epoche freilich völlig fremd war und noch heute fremd ist. 

4.2.2. Der Vorwurf des Essens von Opferspeisen 

Warum gerade das Essen von Opferspeisen (den Götzenbildern dargebracht) zu einem derart dominanten Thema wurde, ist unklar; – es ei denn, man verbinde es mit der Mentalität des pharisäischen Reinheits-Wahns auch bettreffend die Waschungen, das Essen zusammen mit Andersgläubigen, den Sabbat etc. 

Der konkrete Vorwurf betrifft das ausdrückliche Verbot, von den Opferspeisen zu essen, wobei auch Opfer an Stammesgötter, Schamanen (z.B. Paulus, siehe Ap-Ges) etc. gemeint sind. Dazu gehören nebst Fleisch Mehl, Öl, Wein, Getreide, Bier, Blumen; – kurz; sowohl die ’Früchte der Herden’ als auch die ’Früchte des Feldes’; – anders gesagt: sowohl das Opfer des Abel als auch das des Kain. Noch heute werden am kirchlichen Erntedankfest auf dem Lande da und dort Körbe mit allerlei Feldfrüchten und Blumen zum Gottesdienst in die Kirche gestellt und anschließend z.B. an Bedürftige zum Verzehr verteilt (vgl. 1 Sam 21, 3-6). Im AT ist das Essen solcher Speisen das Privileg der Priester und Magier (zum Vergleich taugt gerade die Geschichte von Bileam, dem - als Voraus-Lohn für seinen von ihm erwarteten Fluch – Teile des Opfers als Speise ins Zelt gebracht wurden50). Im NT erscheint dieses Thema in Form der Schaubrote im Tempel zu Jerusalem51, 52; – aber auch ganz 1 Cor 8 ist ihm gewidmet. 

Dazu ist vorweg zu erwähnen, daß alle gnostisch orientierten Gruppen (einschließlich Jesus und seine Jünger) kein Fleisch aßen53. – Beim bekannten Abendmahl Jesu kann eben so wenig vom Eintauchen von Fleisch oder Fisch die Rede sein (der erwähnte Brocken hätte sonst aus der Schüssel heraus kommen müssen), sondern wohl vom Eintauchen eines Stücks des durch den Herrn gebrochenen Brotes. Im Übrigen ist – aus Sicht der damaligen Judenchristen allgemein zu sagen, was die angegebenen Bibelstellen bereits ausdrücken: 

  1. Was den Götzen geopfert wird, ist nicht dem Einen Gott geopfert und fällt nicht unter das Gesetz.
  2. «Not kennt kein Gebot» – Wo Not herrscht, bestimmt nicht das Gesetz, sondern die Situation.
  3. Das Gewissen des Einzelnen ist wichtiger als das Gesetz (welches die Abwesenheit eines höheren Bewußtseinszustandes voraussetzt)54. Der griechische Text drückt es – an die Übersetzung der Unrevidierten Elberfelder Bibel angelehnt – so aus: Von dem, der keine autonome Glaubenshaltung besitzt, soll man keine Entscheidung in schwierigen Fragen verlangen (für Solche gilt das Gesetz).

Auch dieser Punkt wurde besonders von Epiphanius extrem ausgebaut – bis hin zu allen Einzelheiten des Verzehrs bzw. Speiseopfers von Menschenfleisch, -Kot, -Sperma und Menstruationsblut: Das sind allerdings Riten einer ganz anderen – menschenunwürdig schwarzmagischen – Kategorie; und hier nicht mehr dazu! 

4.2.3. Der Vorwurf der religiösen Häresie 

Die Kirchenväter waren unfähig, eine Schilderung der Glaubensinhalte dieser ’Sekten’ zu geben – teils aus Unkenntnis (Tertullian, Irenäus), teils aus bösem Willen (Epiphanius, Hieronymus). Das Zusammenführen der Quellen erlaubt einen Einblick in die wahren Verhältnisse und Auffassungen der Urchristen zur Zeit der Apos- tel in Kleinasien – also zur Zeit von Paulus, Johannes und Konsorten. 

Häresie war seit den ’Paulusbriefen’ alles, was der von ihm, Paulus, konstruierten Lehre widersprach – insbesondere die von den Judenchristen allein hochgehaltene Lehre Jesu und ihre Gesetzestreue. Je weiter das Kunstgebäude der ’christlichen’ Kirche Roms gedieh; – je differenzierter also deren Doktrin definiert und kanonisiert, d.h. schriftlich festgelegt wurde, desto enger wurde die Dogmatik, und desto weiter das Feld mögli- 

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cher ’Häresien’. Darunter fielen natürlich alle Lehren, die vor dem Auftreten des Paulus existierten (soweit die Kirche Roms sie nicht in eigener Form übernahm). Die Lehre der ersten Christen – besonders derer in Klein- asien, wo seit Jahrhunderten eine reiche, hoch entwickelte Spiritualität blühte – war gerade das Gegenteil dieser Engstirnigkeit: Alle esoterischen Lehren der damaligen Welt wurden als berechtigt angesehen und dienten zur Bereicherung des breiten Horizonts und als Vertiefung, um das Unkennbare, Unnennbare von möglichst vielen Seiten her anzuleuchten und zu beschreiben, und so einer mitteilbaren Kenntnis (Gnosis) näher zu kommen55. Dazu kam auch das spirituelle Erbe Ägyptens – aufgrund der ägyptischen ’Besetzung’ Kanaans von ca. 2500 v.Chr. bis ca. zur Herrschaft der Hasmonäer (nach den Makabäerkriegen). 

Neu war allein, daß eine innere Lehre, die alle diese Elemente enthielt, einer Zahl von Eingeweihten (einer inneren und äußeren Geistesschule, wie zur Zeit des Pythagoras) mitgeteilt, eine äußere Form davon aber auch allen Unterprivilegierten (abseits von Gelehrten und Priestern) gepredigt wurde. – Gerade damit aber erregte die Lehre Jesu den größten Widerstand; – gerade dies veranlaßte sein Todesurteil. 

Die Nachfolger der Lehre Jesu wurden desto mehr zu ’Häretikern’, als sie auch die ägyptischen (’hermetischen’), syrischen und jüdisch-chaldäischen Elemente esoterischer Lehren («orientalische Gnosis») adsorbier- ten und zu einer gesamthaften, universellen Lehre – christliche Gnosis genannt – vereinigten. Dem ersten Exponenten dieser Lehre begegnen wir daher in Syrien, in der Person des Judenchristen Cerinthus. 

Daß Kerinthos als Nachfolger der Ebioniten in Kleinasien gleichzeitig mit Johannes gelebt hat, wird durch die Kirchenväter und Andere an manchen Stellen belegt. Cerinthus wird dort als Gnostiker mit dem Gehabe eines Judenchristen geschildert (Irenäus, Epiphanius, Augustinus, Tertullianus, Theodoretus). – Die Lehre des Cerinthus aber wird wie folgt beschrieben: 

Jesus sei nicht von einer Jungfrau geboren, sondern als Sohn von Joseph und Maria, so wie andere Men- schen auch56; – und er sei an Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Weisheit allen Anderen überlegen gewesen. – Jesum non ex virgine natum fuisse eum autem Joseph et Mariæ filium similiter ut reliqui omnes homini, et plus potuisse justitia et prudentia et sapientia præ omnibus. – Auch habe er das mosaische Gesetz verteidigt (Mt. 10, 24.). 

Die Nikolaiten nun wurden geistig als Nachfolger, zeitlich als Parallel-Vereinigung der Cerinthier betrachtet; daher die Unklarheit bei den späteren Autoren, ob die Nikolaiten nun Gnostiker seien oder nicht. – Alle ’Väter’ stimmen aber darin überein, daß die Nikolaiten den ärgsten Lastern ergeben gewesen seien. Irenäus schreibt in diesem Sinne57: 

«Die Nikolaiten haben einen gewissen Nikolaus als Meister. diese leben indifferent. Es zeigt aber die Apoka- lypse des Johannes voll und ganz, was das für Leute sind, die lehren, es gebe keinen Unterschied in der Sexua- lität und im Essen von Opferspeisen ... – Nicolaitæ magistrum habent quidem Nicolaum. – Qui indiscrete {= indifferent im genannten Sinne, was der Übersetzer an gewissen Stellen mit indiscrete übersetzt} vivunt. Plenissime autem per Apocalypsin Joannis manifestantur qui sint, nullam differentiam esse docentes in mœchando et eidolothyton edere ...» 

Die bereits zitierte Geschichte von Cerinthus als Nachfolger der nazoräischen (= essenischen) Ebioniten, der Johannes im Bade getroffen (und wohl mit ihm disputiert) habe, erhält dadurch einen stimmigen Hintergrund. 

4.3. Die Nikolaiten und die Gnosis 

Wird das oben Gesagte von der Schlacke der Verleumdung gereinigt, gehen die Nikolaiten deutlich als eine der Gnosis zugewandte, wenn nicht rein gnostische Sekte hervor: Ihre Lehre unterscheidet sich allenfalls nur in Einzelheiten von jener der Ebioniten (deren Nachfolger sie sind) und von jener des Cerinthus (der ihnen nach- folgt). Damit ist fast alles gesagt; denn die eigentlichen Glaubenselemente wurden im Laufe der obigen Darle- gungen bereits erwähnt. Die Komplexität der ganzen Angelegenheit macht es schwer, durchwegs systematisch zu verfahren. 

Indessen sei die Frage der Reihenfolge nochmals kurz aufgenommen: 

4.3.1. Das zeitliche Erscheinungsbild der Gnosis 

Lange, den wir als umfassendste Quelle bevorzugen, da er kein Gnostiker ist, stellt fest, daß die eigentliche christliche Gnosis später als die Nikolaiten erscheine, doch seien die Nikolaiten die Erben «der uralten orienta- lischen Gnosis»; – und eine gnostische Philosophie habe auch in Kanaan in Form der Kabbalah bereits bestan- den (von der ägyptischen Gnosis ganz abgesehen). Man wäre versucht, nach Wurzeln der Gnosis im alten Indien zu suchen; – doch die Überlieferung Indiens ist noch ganz bildlich-mysteriös; und für das Charakteristi- kum der Gnosis – die bewußte mystische, d.h. abstrakte Betrachtung und bildlos innerliche Kenntnis von der Ursache aller Ursachen – scheint erst die Mentalität Babylons (Chaldäer, Assyrer, ca. 4500 v. Chr.) in Frage zu kommen: Hier taucht zum ersten Mal systematisches Überlegen und Lehren in der Öffentlichkeit auf. Als ein Element der Gnosis betrachten wir ja auch ihr «Coming Out» in Schulen, Lehrhäusern, Priesterkollegien etc. 

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4.3.2. Feindbild Gnosis – Die Nikolaiten als Sündenböcke 

Bereits die Ebioniten – als ’essenische’ Nachfahren der Nazoräer – waren bezüglich des pharisäischen Judentums Häretiker. – Die Nikolaiten sind also deren Erben auch in diesem Sinne, daher als Personifikation eines gemeinsamen Feindbildes geeignet. – Welchen Feindbildes? Jenes der zahlreichen urchristlichen Ge- meinden, die die paulinische Lehre samt Paulus selbst ablehnten: Sie sind es, die schrieen, sie würden nichts mehr essen, bis Jener zu Tode gebracht worden sei58. Der Zweck der Lehre des Paulus war ja, wie bereits ge- zeigt, ein politischer; – und ob nun Atwil mit seinem Buch die Tatschen genau trifft oder ungenau: die Essenz ist sicher zutreffend; – umso mehr, als sich das Ganze zur Zeit des Constantinus – also in der auf jene der Fla- vier folgende Kaiser-Dynastie – wiederholt und zuspitzt. Nur war damals das Bischofs-System bereits etabliert, und eine eigentliche Vergöttlichung des Constantinus und seiner Söhne stand außer Frage. 

Was hier bemerkt zu werden verdient, ist nun, daß offenbar (wie Lange richtig feststellt) die Thesen des Johan- nes, die in seinen Briefen zu lesen sind, in seinem Evangelium als Worte Christi erscheinen. Letzteres stellt also die Lehre Christi gemäß Johannes dar; – Ersteres die Lehre des Johannes gegen die ’Irrlehren’ Anderer. So sieht Lange alle Schriften des Johannes «ganz im Sinne von Paulus» verfaßt – und mit dem alleinigen Hauptzweck, die Christen in den Gemeinden vor den Irrtümern der Häretiker zu warnen und beim reinen Glauben der pauli- nischen Botschaft zu halten. Grundsätzlich wird Johannes als unzweifelhafter Jünger Jesu geschildert und be- hauptet. – Dies ist jedoch für den Autor Johannes in keiner Weise wahrer ist als für Paulus. 

4.3.3. Johannes als Anwalt des Paulus 

Auch für diesen Aspekt sei Lange als Quelle bevorzugt, stellt er sich doch ganz hinter Paulus und dessen ’Christentum’, sodaß wir keiner Uminterpretation bezichtigt werden können. 

«Die ’Irrlehrer’ der Judenchristen» – so Lange – «hatten bereits an der Wahrheit und Glaubwürdigkeit des- sen gezweifelt, was Paulus «im Berufe seines Herrn» (des Kaisers!) lehrte; sie hielten denselben für einen Irrlehrer, der ein neues, von Christi Lehren abweichendes Evangelium predige. Johannes trat in Kleinasien in die Fußstapfen des Paulus; – auch ihn trafen deshalb dieselben Beschuldigungen.»59 

Lange stellt fest, «daß Johannes gegen die Judenchristen geschrieben, daß die gnostisch orientierten Sekten (auch in Klein Asien!) solche (Judenchristen) gewesen, und daß sie es seien, welche Johannes in seinem ersten und zweiten Brief tadelte». – Unter Punkt 2.1.2. wurde anhand der Quellen gezeigt, daß die unter der Autorschaft von ’Johannes’ in den Kanon aufgenommenen Schriften dahingehend konzertiert seien, die gnostischen Sekten – also vorweg die Judenchristen – entweder zur Lehre des Paulus zu bekehren, oder aber sie als Häretiker auszugrenzen und ’so gut wie möglich’ zu verunglimpfen; – eine Absicht, die immerhin fast 2000 Jahre lang vollen Erfolg hatte. Daß der Johannes der Briefe und der Offenbarung bis heute mißverstanden wurde als «Gnostiker, der für Gnostiker schrieb», liegt daran, daß in seine Schriften gnostische Elemente eingefügt sind, wie dies ja auch für jene des Paulus gilt; – mit demselben Erfolg. Es hätte ja auch keinen Grund gegeben, echte gnostische Schriften in den Kanon aufzunehmen, wenn diese nicht zugleich der Kirche Roms – der Herrin diesen Kanons – einen essenziellen Nutzen gebracht hätten. So sehen wir es; – und so sieht es auch Lange: Johannes habe den Paulus bereits in Jerusalem akkreditiert60. – Paulus verließ Klein Asien um 66, also gerade rechtzeitig vor dem jüdischen Krieg! Da habe sich Johannes gerufen gefühlt, dahin zu gehen, sich in Ephesus niederzulassen und von dort aus das Werk Pauli fortzusetzen. – Damit wird Johannes aber automatisch zum Heidenchristen. Zugleich kommt er auch als christlicher Gnostiker nicht mehr in Frage: Man kann nicht zweien Herren dienen; und der Cäsar war wohl der „interessantere“ Herr. Der 1. Johannesbrief (besonders 1 Jo 2:26; und 5:13) hatte also den Zweck, jenen ’Irrlehren’ entgegenzutreten, bzw. die Getreuen bei der Stange zu halten. Er zielte geradezu auf Jene und benutze dieselben Ausdrücke (Pseudopropheten, Antichristen) wie Jakobus, Petrus und Paulus. – Und befriedigt concludiert Lange:
«So war nun dem Judenchristenthume aller Zugang, aller Einfluß auf die Überzeugung der Paulinerchristen in Kleinasien, und zwar für alle Zukunft abgeschnitten ... so war auch nicht [mehr] zu befürchten, daß der unter Vielen herrschende Indifferentismus unter den Christen selbst (!) weiter um sich greifen werde. Johannes wollte demnach weder ein eigentliches Evangelium ... noch eine Streitschrift gegen Judenthum, Gnosis oder Johannis-Jünger (!!!), noch eine Lebensgeschichte Christi ... liefern ... » - Das sind gewichtige Worte! 

5. DIE AUSSAGEN ALTER UND NEUERER AUTOREN 

Wenn auch substantiell alle Vorwürfe bereits erwähnt wurden, die – ursprünglich aufgrund der kurzen Ver- urteilung in der Apokalypse – vorallem durch die eifrigen Kirchenväter lustvoll ausgeschmückt und beliebig erweitert wurden, so mag doch noch eine kurze Darstellung der verschiedenen Autoren angezeigt sein. Diese beschränkt sich auf die Besonderheiten der jeweiligen Darstellung (Auszeichnungen durch den Autor des Vor- liegenden). 

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5.1. Zeitgenössische Kommentare 

5.1.1. Das Urteil des Epiphanius 

Die Lehre der Nikolaiten – wie auch anderer Gruppen – faßt Epiphanius zum Teil auch nur summarisch zusammen als «dieselben Schändlichkeiten wie die Anderen», oder dergleichen. Seine Ausführungen scheinen die ältesten zu sein und sind bei Weitem die ausführlichsten, wenn auch zum Teil verworren und überall extrem tendenziös. Ein kurzer Satz zu Beginn schafft schon Klarheit: 

«Die heilige katholische Kirche ist der Beginn von Allem». – Ein etwas breiteres Text-Beispiel zeigt es jedoch noch besser: 

«Der Adam Protoplastos wurde gebildet nicht aus der Beschneidung, sondern unbeschnitten im Fleisch, eine Vorhaut habend. Er war nämlich kein Götzenanbeter und kannte den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Ja, er war ein Prophet, und wußte, was der Vater dem Sohn gesagt {, nämlich}: Laßt uns den Menschen machen ... Und er (Adam P.) hatte keine Beschneidung, noch verband er sich mit Götzenbildern, sondern er zeigte eine Form des Christianismus. Dasselbe muß man von Abel und von Seth und von Enos und von Enoch und von Methusalah und von Noah und von Heber, bis hinunter zu Abraham. annehmen ...». 

Muß man das wirklich annehmen? – Warum? Die Aufzählung zeigt unter Anderem (ein weiterer künstlicher Stammbaum – jener der davidischen Linie – sei hier nur erwähnt), daß auch Epiphanius mit der Überlieferung der Qabbalah in Berührung gekommen war, die er jedoch ebenfalls nach seinem Verständnis und seiner Laune interpretierte. – Denn wer oder was ist der Adam Protoplast der Kabbalah wirklich? 

Bei Papus61lesen wir: «Adam Kadmon ist der Adam vor dem Falle; Adam Belial ist der Adam der ’Hüllen’ oder ’Schalen’ {so nennt die Kabbalah die Formen gröberer Geistigkeit bis hin zur Manifestation im Stoff; – bei den griechischen, manichäischen und neuen Theosophen zu Hylè geworden}; und Adam Protoplast ist das Urprinzip der sich differenzierenden Seelen»; – und Franck62: schreibt: « ... ja, er ist besonders das Abbild Gottes, bloß in der Gesamtheit von dessen unendlichen Attributen betrachtet. Er ist die Gegenwart Gottes auf Erden ..., der himmlische Adam ist es, der, aus der tiefsten Ur-Dunkelheit hervorgehend, den irdischen Adam gestaltet hat». – Und dieser rein geistige, göttliche Mensch war also «eine Vorhaut habend ... etc.» ?? 

Wie erbärmlich nimmt sich doch neben der poetischen und wahrhaft geistigen Schau der Qabbalah die so materialistische, auf geringste rassische Nebensächlichkeiten sich versteifende Blickweise der «heiligen» Kirchenväter aus, die damit zugleich zu den Vätern des Rassismus wurden, wie der folgende Passus zeigt: 

« ... die Äthiopier sind schwarz von der Sünde, weil sie jenes {ein ’häretisches’} Mysterium begehen.» 

Epiphanias identifiziert 80 Häresien in dreizehn Klassen oder Ordnungen von Häretikern. In die zehnte Klasse setzt er als erste der vier Sekten aus der Ordnung der Samariter die Essener; – als fünfte Sekte des Judentums {Samariter werden also nicht als Juden betrachtet!} sieht er die Nasaräer {sic!}, als achte (!) «die Anwesenheit Christi, der 12 Apostel und 70 Jünger». Als siebente Sekte des Judentums erscheinen die Herodianer; – ihr Meister ist Herodes, der «für einen Christos gehalten wurde 63 ». – Das wirft ein neues Licht sowohl auf die ’Weihnachtsgeschichte’ als auch auf die Geschichte von der Enthauptung des Johannes. 

Endlich kommt Epiphanius zu den Nikolaiten über die er (a.a.O., S. 83-85) vier engbedruckte Folio-Seiten voll der zum Teil unsinnigsten und perversesten Invektiven schreibt, während er den Gnostikern die Seiten 38-48 widmete. Auf die detaillierte Aufzählung soll hier verzichtet werden. 

Der folgende Auszug gibt zugleich einen kleinen Einblick in den Stil dieses ’Heiligen Vaters’ der ’christlichen’ Kirche; – jener Welt-Repräsentantin der Liebesbotschaft Jesu: 

«Was also soll ich gegen Dich sagen, oh Nikolaus? – Wie konntest du dich selbst und die dir glauben durch dein wollüstiges und schändliches Werk verführen, indem du die Wahrheit und Gerechtigkeit des Herrn in Un- gerechtigkeit und Unwahrheit verkehrtest und sagtest und lehrtest? Wo aber wird das von dir erfüllt: {folgen Zitate und Ausführungen über Jungfrauschaft und Jungfräulichkeit}? Von Dir wird ja jeglicher Kot der Un- reinheit schamlos eingeführt.» – Und etwas weiter: 

«Dieses Ziel aber sei mir gesetzt, daß wer das hier Vorgebrachte zwei- oder dreimal liest, diese Deine lächerliche Häresie zerstört sieht ... – Und zwar deshalb, weil durch jene Sekte dieses miserablen Nikolaus – wie durchs Unkraut des Ackers oder durch die hinterhältige Lepra – von den einen Körpern andere Körper angesteckt werden. Gerade so wurden teils durch ihn, teils durch Solche, die vor ihm waren (ich meine den Simon {S. Magus?} und Andere) Menschen zusammengeführt, aus welchen die Gnostiker – d.h. die sogenann- ten Kenner – jede Gelegenheit wahrnahmen, alles Wahre durchwegs zu verachten, durch [ihre] Verwerflichkeit und ihr liederliches Tun in den unreinen Werken. Doch so, wie wir ja diesen zuerst mäßig Enthaltsamen, dann von der Enthaltsamkeit Abgefallenen {sc. Nikolaus} ... durch den uns in die Hand gedrückten Schreibstift des Christus zerstörten und vernichteten, wollen wir jetzt zu den nächsten Häretikern übergehen.» 

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Das hindert ihn aber nicht, noch das kirchliche Dogma des Teufels zu bringen (stark gekürzt): 

«So erzählen sie {die Nikolaiten} auch: Ich stand auf einem hohen Berg und sah einen sehr großen Mann und einen anderen, verstümmelten, und ich hörte wie eine Donnerstimme, und ich trat näher, um sie zu hören, und sie sprach zu mir und sagte: Ich bin du, und du bist ich. Da wo du einst warst, da bin ich; und in Allem bin ich enthalten (sparsus), und wo immer du willst, wirst du mich finden. Indem du aber mich findest (colliges), wirst du dich selbst finden ... » {Es scheint sich hier um eine Urform der vormals wirklich gnostischen «Offen- barung des Johannes» zu handeln}. 

«Und – oh Saat des Teufels, wodurch er den Geist der Menschen verdreht und von der Lehre der Wahrheit zu Laster und Schande verführt ...! – Indem sie Solches und Ähnliches vorbrachten, sind die Gnostiker mit der Nikolaitischen Häresie verbunden aus der Wahrheit gefallen, und sie haben nicht nur den Geist Derer, die ihnen treu sind, sondern auch deren Körper und Seelen ... in Knechtschaft gestürzt ... , indem sie menschliches Fleisch sowie Unrat sowohl essen als auch berühren, die ich nicht einmal alle auszusprechen, geschweige denn zu berichten wage, wegen des überaus großen Schmerzes, den meine Seele ihretwegen erfährt ... – Zu dieser Unmenge und Tiefe der Übel[taten] verführt der Feind der Menschheit, der Teufel, selbst Gläubige, sodaß sie Geist, Herz, Hände, Mund, Leib und Seele Derer verschmutzen sollen, die von ihm in solcher Blindheit kundig sind ... » – Und weiters: 

«Bei Einigen werden sie aber Borborianer {= Barbeliten} genannt. Andere geben ihnen den Zunamen Coddia- ner. Codda aber heißt im Syrischen Schüssel oder Napf {???}, und zwar deshalb, weil es Leute gibt die nicht mit ihnen essen können ... » – In der Einführung nennt er sie aber «Codiani {recte Caudiani nach einer Ortschaft in Samaria?} – «Diese brachten die Barbelo auf ... – So werden sie in Aegypten auch Stratiotiker {– Kriegsheer} genannt und Phibioniten {vom Feigenbaum?), wie oben bereits gesagt wurde. Einige nennen sie auch Zachäer, wieder Andere Barbeliten ... ... » – {Man erinnere sich an Zachäus unter dem Feigenbaum!} 

Soweit Epiphanias. – Mit Simon ist sicher Simon der Magier gemeint; – die Anderen sind eine zum Teil lineare Folge von Häretikern, die auch zu Cerinthus und den Ebioniten führt, an deren Kopf (nach Simon) «ein gewisser Menander» steht. Dieser verdient besondere Erwähnung deshalb, weil er offenbar als Erster der Reihe lehrte, die Welt sei von Engeln erschaffen worden; während sein griechischer Name Menander – zugleich Mondmann bedeutet: Die Esoterik lehrt ja, die Welt sei von den Mondengeln geformt worden. 

Einige bei Epiphanias erwähnte ’Irrlehren’ sind noch der Erwähnung wert: 

«Andere wieder verehren auf diese Weise einen gewissen Caulacauch {vielleicht eine Verbalhornung des Namens Pavlos durch «ionische» Lautwandlung von nach ?64 – b = v; – ansonsten auch: – prah- len, und Stengel; – vgl. den Sefer Toldot Jeshu, wonach Jesus an einem Kohlstengel vor dem Tempel gekreuzigt wurde}, den sie so nennen, um die Unkundigen mit solch erschröcklichen Namen zu täuschen. Die Kundigen aber, welche ihr Wissen über die richtigen Namen und die wahren Tatsachen direkt von Gott erfahren haben {sc. die Kirchenväter!}, werden solch falsche Lehren nicht leichtgläubig übernehmen ... 

«Andere von ihnen erfinden irgendwelche unsinnige Namen, indem sie sagen: „Da war Finsternis und die Tiefe und das Wasser. Der Geist aber machte inmitten von ihnen ihre Trennung. Die Finsternis aber erzürnte, und lästig waren die Geister; und kreisend vermengten sich die Geister und erzeugten (so sagen Jene) eine gewisse Metra {griech. Gebärmutter}, welche wirklich in jenem Geist Zeugungen empfing ...» 

Mètra – die Mutter alles Lebendigen – ist übrigens identisch mit der Sophia außerhalb des Pleroma gemäß der Aeonologie der valentinianischen Gnosis, und wahrscheinlich auch mit der Metis in ‹Baphomet›.65 

Und so entsetzt sich Epiphanius weiter: «... Denn wie könnten diese Metra, das Verkünden von Lastern und Anderem nicht allen Menschen lächerlich erscheinen – Griechen und Barbaren, Weisen und Blöden? Groß nämlich ist die Not und äußerst groß das Unglück, daß Jene, die in der Verdammnis und im Irrtum sind, uns [solche] Häresiarchen (sectarum principes) schicken, und daß sie mitten unter uns – wie eine Unzahl von Raubtieren – auftauchen und bei uns Ärger und Beschwernisse, Aussatz und Betrübnis säen durch diese ihre unglaubliche Irrlehre. Jene nämlich sind (alle) diesem Nikolaus verbunden und aus ihm hervorgegangen wie aus einer fruchtbaren Schlange oder Viper. Aus einem Skorpion-Ei geboren, bringen sie uns irgendwelche Namen eines seelenlosen Tons. Sie machen Bücher, nennen ein gewisses Buch Noria» {griech noria–könnte über semit. nour – Licht, Feuer – von Hebr. Shekinah – der Glanz – her kommen} «... und indem sie die Lehre des griechischen Aberglaubens {sc. die Mysterien} [auch noch] in erfundene Späße und Phantastereien bei denselben Griechen verwandeln, durchflechten sie so die Wahrheit mit der Lüge». 

Ein Exkurs über Johannes zeigt überdies, daß die Gnostiker gegen Johannes gestellt wurden und umgekehrt. 

«Sie haben aber viele Bücher. Sie geben nämlich ein Buch heraus, [das heißt]: Interrogationes Mariæ {die Schrift Pistis Sophia?}. Andere geben unter dem Namen des Jaldabaoth und des Seth viele Bücher heraus, und andere nennen sie Offenbarungen von Adam selbst. Andere haben es gewagt, Evangelien unter dem Namen 

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Seiner Jünger herauszugeben und schämen sich nicht, zu sagen, der Erlöser selbst ... habe ihnen diese schänd- lichen Werke offenbart ... » – Wer dürfte nun noch daran zweifeln, daß die kanonischen Evangelien nicht auf die Jünger Jesu zurück gehen? – Und Epiphanius fährt fort: 

«In den großen Interrogationibus Mariæ (es gibt nämlich auch kleine von ihnen erfundene) behaupten sie, Er sei ihr erschienen als er ihr auf einem Berg begegnet sei ... , und habe gebetet und aus seiner Seite eine Frau ausgestoßen und begonnen, sich mit ihr zu vereinigen. Und so habe er wirklich ... ihr angezeigt, was man tun müsse, damit wir leben. Und Maria sei verwirrt zu Boden gefallen, und er habe sie aufgehoben und zu ihr gesagt: Warum zweifelst du, Schwache im Glauben? (cur dubitasti modicæ fidei?).» – Daher also im kanoni- schen (’judenchristlichen’) Evangelium die berühmten Worte Jesu66 an Petrus auf dem See Genezareth!? 

Ebenso verhält es sich mit dem Folgenden: 

«Und sie sagen, das sei es, was im Evangelium gesagt werde: „Wenn ich euch Irdisches sagte, und ihr habt es nicht geglaubt, wie werdet ihr dann das Himmlische glauben?“» – Kannte Epiphanius also ausgerechnet das Johannes-Evangelium nicht? – Oder schrieb er doch vor dessen Endredaktion?67 

Was Epiphanias nicht erwähnt, das ist, daß seine hämischen Worte über Nikolaus, indem er ihn als «geisti- gen Eunuchen» darstellt, wörtlich zitieren, was im Buch der Interrogationes Johannis (V 190 f.) über die Ehe- losigkeit zu lesen ist!68 

Es wäre nun unrecht, den Epiphanius zu verlassen, ohne sein Geständnis zu überliefern, das die Motivation erklärt, woraus er die Gnostiker allesamt verdammt. Offensichtlich erging es ihm ähnlich wie dem Augustinus, der aus Unverständnis bzw. Unvermögen zum Apostaten des Manichäismus wurde: 

«Wollte ich [alles erzählen, so schließt Epiphanius], so müßte ich dieses Werk zu einem großen Haufen aus- dehnen. Denn dieser Häresie, oh Geliebte, verfiel ich selbst, und was [mein Geschriebenes] behandelt, das habe ich selbst in eigener Person gehört. Denn die so getäuschten Frauen ... wollten uns in unserer Jugend auch in Aegypten, jenem verderblichen und schändlichen Land des Archimagiros {er will wohl sagen: der magischen oder philosophischen Erz-Pfuscherei} ... zu denselben Kühnheiten verleiten. Aber derjenige, welcher einst dem heiligen Joseph half, stand auch uns bei ... haben Erbarmen gefunden und sind ihren verderblichen Händen entkommen. Denn jene verdorbenen Mädchen liefen mir nach, verlachten mich, zeigten auf mich, indem sie einander gegenseitig neckten: „Wir konnten (so sagten sie) den Jüngling nicht halten, so haben wir ihn in die Hände des Fürsten [dieser Welt] entlassen, um [dort] unterzugehen.“ Denn die Hübscheste unter ihnen umgibt sich selbst wie ein Köder ... {oh der enttäuschten Liebe!} – Und der gnädige Gott befreite mich von ihrer Verdorbenheit, sodaß ich, nachdem ich ihre Bücher gelesen und ihre wahren Ansichten erkannt hatte, nicht verführt wurde, sondern entfloh, nicht geködert wurde, sondern mich bemühte, Jene auch den Bischöfen des Orts zu zeigen und ihnen die geheimen Namen dieser Gemeinschaft anzugeben, sodaß sie aus jener Gegend vertrieben wurden (es waren nämlich etwa 80 Namen) damit die Gesellschaft von ihrer streitsüchtigen und dor- nenvollen Art gereinigt würde ... und deutlich konnten wir von ihnen sagen; – nicht was wir getan (ferne sei es!) – sondern was wir genau von denen erfuhren, die uns dazu überreden wollten, es aber nicht vermochten, sondern ihre Hoffnung verloren, da sie mich verloren, ... – So sind wir hineingeglitten und wieder herausge- glitten, und haben gelesen, und wissen, und haben verurteilt, und wurden gerettet, und sind entwischt ... –– » 

Die Gnostiker allgemein würdigt Epiphanius der folgenden Kolportage: 

«Es gebe auch ein Buch, Stirps Mariæ – Sproß der Maria – genannt {Sepher Toldot Jeshu?}, woraus sie entsetzliche und verderbliche Dinge zitieren. Darum nämlich (sagen sie) sei Zacharias im Tempel erschlagen worden, weil er eine Vision hatte und aus Furcht, als er die Vision erzählen wollte, seinen Mund verstopft fand. Er sah nämlich (sagen sie) zur Stunde des Räucherns, als er das Räucheropfer darbringen wollte, einen Mann stehen in Gestalt eines Esels; und als er heraus kam, und sagen wollte: „Wehe euch, wen betet ihr da an!“ {nämlich den IA oder JAO} – da verstopfte seinen Mund Der, den er im Tempel gesehen hatte, damit er nicht sprechen könne. Als aber sein Mund geöffnet wurde und er wieder sprechen konnte, da offenbarte er ihnen das, und sie erschlugen ihn; und so starb Zacharias ... » – Dieses Zitat – wohl aus dem Sefer Toldot Jeshu hat vermutlich folgende Basis: «Sie überliefern nämlich, Sabaoth habe eines Esels Form; Andere sagen: eines Schweins; – und das sei der Grund, weshalb den Juden geboten sei, keine Schweine zu essen. Der sei nämlich der Schöpfer von Himmel und Erde, und der Himmel, die nach ihm sind, und von dessen Engeln. – 

«Des Weiteren: Beim Tod gehe die Seele dort bei diesen Fürsten vorbei, und sie könne nicht {ins Reich der Himmel} eintreten, wenn sie nicht die Kenntnis (oder sagen wir lieber: die Verdammnis) dieser Stufe besitze, und wenn sie die Hände der Fürsten und Gewalten befriedigt {d.h. gefüllt} habe, könne sie entkommen.» – Diese Lehre wiederum deutet auf die Pistis-Sophia-Schrift und auf die ägyptischen Unterweltsbücher hin. 

Der «Mann in Gestalt eines Esels» ist also vielleicht ein Eingeweihter im Priestergewand der Mysterien des IAO (= wxy), bei den Ägyptern IA {das xy in hwxy}genannt69. Das würde dann seine Esels-Maske erklären. 

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«Sie bringen auch ein erfundenes Evangelium im Namen des Apostels Philippus: „Denn der Herr (so sagt der) hat mir offenbart, was die Seele sagen muß, wenn sie aufsteigt zum Himmel, und wie sie den einzelnen höheren Gewalten antworten muß: „Denn ich erkannte mich selbst (sagt sie {= die Seele}) und sammelte mich überall, und ich erzeugte keine Kinder des Fürsten [dieser Welt], sondern ich habe seine Wurzeln ausgerissen und die verstreuten Glieder eingesammelt {vgl. Mythos von Isis & Osiris!}, und ich kenne Dich und weiß wer Du bist“. - „Denn ich“ (sagt sie) „bin aus den Höhen“, und so (so sagt er {= Philippus}) wird sie entlassen.“ 

Wenn aber gefunden wird, daß sie ein Kind erzeugt hat, so wird sie in der Hölle zurückgehalten, bis sie die eigenen Kinder {dort?} empfangen und in sich zurück ziehen kann.» 

Inzwischen haben neue Textfunde das «Evangelium des Philippus» selbst zutage gefördert. So zeigt sich erneut, was H.P. Blavatsky in Isis Unveiled schrieb: 

«Die Römische Kirche hat zwei weit mächtigere Feinde als «Häretiker» und «Ungläubige»; und diese sind ... – Archäologie, Vergleichende Mythologie und {vergleichende} Philologie.» 

5.1.2. Isidor von Sevilla 

Als interessantes Detail fällt sogleich auf, daß dieses Buch zwar von einem Elsässer Pfarrer dem Antistes und Landgrafen des Elsaß gewidmet ist (Beide – Autor und Adressat – waren beamtet an der Kathedrale des reformwilligen Straßburg); – daß es aber in Wien gedruckt werden mußte, obschon Straßburg im 16. Jh. einer der bedeutendsten Druck-Orte Europas war. 

Man darf vermuten, daß auch Isidor –in der von uns benutzten Übersetzung ins Lateinische als Ysidorus geschrieben - sich vorwiegend des Epiphanius als Quelle bedient habe; – doch verzichtet er ganz und gar auf böswillige Elemente. Indessen erscheinen manche ursprünglich wohl aus sprachlichem Mißverständnis ent- standene Irrtümer; – insbesondere bei der Orthographie der Namen (z.B. Nasoräer, Nasaräer, Nazaräer, etc.), bei deren Herleitung von Jesus als Nazoräer, Nazarener udgl. – sowie bei der Identifikation der ’Stifter’ oder ’Häupter’ vorallem der verschiedenen kleineren Sekten (aber auch z.B. die Ebioniten mit Ebion). 

Isidor enthält sich jeden Kommentars aus eigener Feder – höchstens die unmittelbare Gegenüberstellung gegensätzlicher Aussagen kann als stummer Kommentar verstanden werden, wie z.B.: 

Die Collicianer kommen von einem gewissen Collicius. Sie sagen, Gott mache nichts Schlechtes, entgegen dem was in der Schrift steht: Ego Dominus creans mala. (Ich, der Herr, der das Üble erschafft) 

Die Florianer leiten sich ab von Florian. Diese sagen im Gegenteil, Gott habe das Böse erschaffen, entge- gen dem was in der Schrift steht: fecit deus omnia bona (Gott hat alles gut – oder alles Gute – erschaffen). 

Besonders eine ’Häresie’ bei Isidor’s stichwortartiger Aufzählung einiger ’Exoten’ am Ende seines Registers scheint noch erwähnenswert: « ... Andere nehmen eine Unzahl von Welten an ...». – 

Während Jahrhunderten bestand der Vatikan darauf, daß es nur eine einzige Welt gebe – die unsrige – weil in der Bibel nur von einer die Rede sei! 

Isidors Schlußbemerkung kann zu allen Rom-treuen Zusammenstellungen von Häresien gesetzt werden: 

«Das sind die Häresien gegen den katholischen Glauben, die von den Aposteln und den heiligen Vätern und Konzilien verdammt werden; und während sie in vielen Irrtümern untereinander uneins sind, so conspirieren sie doch über einem gemeinsamen Nenner gegen die Kirche Gottes. – Aber auch wer immer die heilige Schrift anders versteht, als es der Sinn des Hl. Geistes fordert {sc. der Geist der Menschen der Kirche Roms}, aus dem sie geschrieben ist, auch wenn er nicht aus der Kirche austritt, kann dennoch ein Häretiker genannt werden.» 

5.1.3. Weitere alte Quellen 

Die bekanntesten Autoren dieser Gattung wurden bereits ganz am Anfang dieser Arbeit mit bibliographi- schen Hinweisen aufgezählt. Hier nochmals in Einzelheiten einzusteigen erübrigt sich wirklich. Indessen sei noch hingewiesen auf Oehler70, der zwar nicht selbst ein antiker Autor ist, aber viele der Antiken zusammen- trug (siehe unten). Auf die Nikolaiten verweist er im Wortverzeichnis (wir übernehmen das hier kommentarlos) mit Nennung des Philaster, cap. 33, 88, 115, 129; – des Augustinus (hær 5.); – von Pred. 4; – des Pseudotertullian (hær 5); – von Pseudo-Hieronymus 3, des Isidor 5; – des Paulinus 5; – und des Honorius 20. 

Im Wesentlichen erscheint hier dasselbe wie bei Epiphanias und Isidor; – es ist aber auch möglich, daß jene eben gerade hier geschöpft haben, und daß Philaster die Quelle ist. – Nur Arnold (Pkt. 4.2.4) ist noch zuverläs- siger, da weniger voreingenommen für die Kirche Roms. – 

5.2. Die neueren Quellen 

Es können hier nicht alle Quellen aufgezählt werden. Indes interessiert die Tatsache, daß es doch immer wieder Autoren gab, die sich dem Thema der Nikolaiten in der Apokalypse des ’Johannes’ widmeten; – es scheint fast, as ob diese Schriftstelle schon früher Unbehagen erzeugt habe, daß aber bisher keine kritischen Kommentare oder Analysen erarbeitet worden seien. Hier beschränken wir uns auf drei Quellen: 

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5.2.1. Bernhard Lutzenburgers Catalogus Hæreticorum
Lutzenburger71 bringt im Wesentlichen nichts Neues. Die deutsche Übersetzung des Titels würde heißen: Bernhard Lutzenburgers, des Prediger-Ordens, Katalog ganz aller Ketzer, die bis heute in den Schriftwerken 

erwähnt wurden, ihre Namen, Irrtümer und die Zeit in der sie lebten aufzeigend. – B. L. ... hat diese in fünf Bü- chern beschrieben, worin man auch über Luther und andere neulich aufgetauchten Ketzer Vieles erfahren soll. 

Im Anhang noch ein Tractatus de Purgatorio, vom selben Autor – also ein Traktat übers Fegefeuer, mit einem Prolog über die Ketzer, die das Fegefeuer leugnen. 

Über die Nikolaiten erfahren wir hier nichts besonders Neues, außer, daß sie offenbar neben der institutio- nellen Ehe, die wie gesagt fürs gewöhnliche Volk erst im späten Mittelalter ’erfunden’ wurde, auch das Kon- kubinat akzeptierten, welches – bis zum besagten Zeitpunkt – die gewöhnliche Form des Zusammenlebens war. Ja, es ist uns sogar ein Fall aus der unmittelbaren heutigen Gegenwart bekannt von einer Frau, die elf Kinder von vier Vätern gebar, ohne je verheiratet gewesen zu sein; – und alle Beteiligten leben glücklich und zufrieden mit diesen Tatsachen. 

Ansonsten nennt Lutzenburger noch bisher unerwähnte Literatur zum Thema: Ignatius in seinem Brief an Tral[ianus?] ; – Hieronymus in seinem Brief De Fabiano Lapso; – Rubertus, abbas Tuitensis Super Apoca- lypsin; – Hieronymus in einem Brief an Cresippus. 

5.2.2. Nicolas Jaquier’s Ketzerpeitsche 

Diese ’Peitsche der Hexereien der Ketzer’, verfaßt von einem ehemaligen Inquisitor, bringt nichts, was der Erwähnung wert wäre. Man könnte sie auch als ’Kleines Handbuch für den angehenden Inquisitor’ bezeichnen.72 – Im selben Band sind noch beigebunden fünf weitere Traktate zu Hexerei, Zauberei, Ketzertum, Aber- glauben und Wahrsagekunst. – ein Strauß von ‹Gegnern› der Römischen Kirche. 

5.2.3. Die Monographie von Roth 

Dieser Autor, der klar zu den kritischen, d.h. gemäßigten selbst recherchierenden Autoren gehört73, bringt die Nicolaiten in Verbindung mit den Bileamiten und der entsprechenden Bewegung bei den Juden in der Didache. «Nie könnte ein Ei dem anderen ähnlicher sein, als die Lehre der Nikolaiten {so wie sie von den kirchlichen Autoren überliefert wird} und jene der Didachè Balaami» (siehe Pkt. 3.1). Er bringt (in § 8) den Vorwurf der Unzucht bereits in Verbindung mit der Priester-Ehe seit dem Mittelalter (vgl. G. Fornasari, Pkt. 4.2.7. hiernach): 

«Was ihre Unzucht betrifft, so entspricht sie dem Gebrauch des Klerus zu jener Zeit: Die Ehe wurde verab- scheut, aber freie Liebe akzeptiert, entsprechend päpstlichem Edikt und Gewohnheit, daß es heiliger sei, der freien Liebe zu pflegen, als eine Ehe einzugehen. Dem entsprechend dichtete Mantuanus über die Stadt Rom folgendes Distichon: 

I pudor in villas, si non patiantur easdem Geh in die Villen, oh Scham, wenn die nicht erleiden dieselben Et villæ vomicas: urbs est jam tota lupanar Eiterbeulen: Schon ist Rom insgesamt ein Bordell! » 

Betreffs des Essens von Opferspeisen erzählt Roth in § 9 eine Anekdote über die Nikolaiten, wie folgt: 

In Antiochien habe Julianus Apostata sämtliche Quellen und Brunnen und alle Lebensmittel den Göttern weihen lassen, um so die Judenchristen entweder Hungers sterben zu lassen oder dazu zu zwingen, Opferspei- sen zu essen. Die Nikolaiten hätten also solches gegessen, «obgleich, wie Theodoret sagt, unter Klagen und Seufzen – etsi, ut ait Theodoretus, lugentes et gementes». – Vollkommen entkräftet wird der genannte Vorwurf ausnahmsweise – obschon unfreiwillig – durch die Worte von Augustinus: 74 

«Dieses sein {des Nikolaus} Verhalten wurde zu einer schändlichen Sekte gemacht, wo der indifferente Ge- brauch der Frauen beliebt ist. Jene trennen auch nicht ihre Speisen von denen, die den Göttern geopfert werden, und sie bekämpfen auch andere Riten der abergläubischen Heiden nicht. – Quid ejus (Nicolai) factum in sectam turpissimam versum est, in qua placet usus indifferens fœminarun. Hi nec ab iis, quæ idolis immolantur cibos suos separant, et alios ritus gentilium superstitionum non adversantur.» - Sie aßen also nicht einmal die Opfer- speisen selbst, sondern nur Speisen aus derselben Küche! 

Der Ausdruck indiffernet ist hier deshalb betont, weil er in den Zitaten von Lange so oft wiederkehrt, im Sinne von «gleichgültig gegenüber der paulinische Lehre» – oder im Sinne der englischen Dissenters. 

5.2.4 Gottfried Arnold’s Kirchen- und Ketzergeschichte 

Eines der zu Recht bekanntesten Häresiologie-Werke – wenn nicht das bekannteste in deutscher Sprache – ist Arnolds Unparteiische Kirchen- und Ketzergeschichte 75. Hier wird nicht nur bereits um 1700 – also wäh- rend in ganz Europa noch die Scheiterhaufen brannten – mit der Infamie und Hysterie der Hexen- und Zaube- rer-Verfolgung und des kirchlichen Teufelsglaubens aufgeräumt, sondern eben auch mit dem Ketzerwahn. 

Bezüglich der Nikolaiten läßt man ihn am besten selbst zu Wort kommen: 

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«Ehe ich zu den übrigen gehe, muß ich der Nicolaiten nicht vergessen, die beim Johannes mit nahmen also benennet werden Offenb. II.6.1476. Da es denn mercklich ist, daß nicht so wohl ihrer Sätze und Wortkriege, als ihrer Wercke gedacht wird, die man hassen solle. Indem Gott in seinem Urteil nicht so sehr sieht, wie sie etwa den Verstand irre machen, als auf diese vorallem, die aus einem bösen Willen fließen. 

Um aber auf die Nicolaiten zu kommen, so werden ihre Werke klar genannt, nämlich, daß sie Götzenopfer gegessen und Hurerei getrieben ex Irenæo lib. I. cap. 2; – constit Apost. lib.VI.c.8: Woraus es auch Andere wiederholen, obgleich Andere, Neuere noch mehr Lehrsätze von Gott und Christi hinzutun; – vielleicht darum, daß es nur an viel irrigen Meinungen bei diesen Ketzern nicht fehlen solle Iren. lib.III.c.II; – August. hær.5.; – Philaster her. 33; – Epiph. hær.25 ... 

«Epiphanias gibt sich abermals sehr bloß, wenn er nach seinen vorgefaßten Meinungen, die er für orthodox hält, dem Nicolao etwas andichtet, was ihm nimmermehr in Sinn kommen ist ... Es ist aber klar genug, daß er {Epiph.} hier abermals aus seinem Gehirn eine Ketzerei erdacht hat; denn erstlich ist nicht zu erweisen, wird auch von Vielen geleugnet, daß dieser gute Nikolaus ein Anführer solch unreiner Vögel gewesen. Ja, wo sich auch etliche dießfalls auf ihn berufen hätten, so mercken die Alten wohl an, daß sie seine wohlgemeinten Worte böslich gedeutet und mißbraucht haben. Zudem hätte der Epiphanias ausmachen {beweisen} sollen, daß zur Zeit der Apostel ein Gelübde oder zumindest ein allgemeiner Vorsatz der Enthaltung durchaus im Schwange gewesen [sei], sodaß mans einem für übel oder gar strafbar gehalten hätte, wenn er sich der Ehe gebraucht hätte. 

«Ebenso steht hier anzumercken, da[ß] sich der Autor {sc. der Autor der Apokalypse} nicht scheut, Johanni oder vielmehr Christo Schuld zu geben, er hätte die Nicolaiten deshalb der Hurerei bezichtigt, weil sie im Ehe- stand gelebt hätten: Indem Christus deswegen eine Jungfrau zur Mutter haben wollen, damit keiner seiner Jün- ger auch nicht einmal heiraten sollte. Solchergestalt hat immer einer dem Anderen etwas aufbürden wollen, nur damit er selbst bei Ehren und in der opinion der rechten Lehre bleibe. 

«Im übrigen will man sagen, es seien die Gnostiker von diesen ersten Nikolaiten herkommen ... – Sie selbst aber mögen nicht lange gedauert haben, wie die übrigen alle, so in den ersten Zeiten rotten {Aufsehens} gemacht haben. Indem entweder die anderen wahren Christen mit den ihnen von Gott gegebenen und gesegne- ten Mitteln sie von ihrer boßheit abgekehret / oder auch die heyden ihnen sowohl als den übrigen / die unter dem Christen namen bekant waren / den garauß mögen bey guter zeit gemachet haben.» 

Die ’Heiden’ aber – das waren damals die Griechen und Römer! – Und dem braucht man nun nichts Wei- teres hinzuzufügen. 

5.2.5. Ein Anonymus schreibt gegen die Quäker 

Dieses Kuriosum77 sei nur am Rande erwähnt, weil es die neu aufgetauchte englische Quäker-Bewegung so- wohl mit den Nikolaiten als auch mit den Rosenkreuzern und anderen Protestanten gleichsetzt, indem er auch den Lutheraner-Pfarrer und ersten Theosophen Valentin Weigel erwähnt und feststellt, daß « ... Weigel und alle die ihm nachfolgen / sie heißen gleich Rosencreutzer oder Pansophisten ... Widertäufer seyn». Weigel und den Rosenkreuzern widmet er sogar das ganze 10. Buch. – 

Typische Pointe: Der Autor des Buchs ereifert sich über die ‹Tatsache›, daß protestantische und rosenkreuzerische Autoren ihre Namen nicht bekannt gäben; – doch sein eigener Name bleibt im Dunkel. 

5.2.6. Franciscus Oehler’s Corpus Hæreticorum 

Das Wichtigste dieses Buchs78 ist jene Zusammenstellung alter Autoren und ihrer Aussagen, die unter Punkt 4.1. bereits erwähnt wurde. – Eine interessante Compilation mit der Besonderheit, daß auch wissenschaftliche Aspekte der Antike (insbesondere Mathematik, «eine so verderbliche Lehre wie die Arithmetik», Astronomie, Gematria – ratio computationis literarum) berücksichtigt werden. Über die Nikolaiten schreibt er Einiges, was doch ein neues Licht auf deren spezielle Lehre wirft. Das schönste Beispiel ist dies: 

«Eine andere Häresie sagt, es gebe unendlich viele Welten, nach der Meinung gewisser Philosophen, wo doch die Schrift sagt, es gebe nur eine Welt ... – Ebenso die apokryphen Propheten, d.h. die geheimen, wie die Heiden sagen; so wie auch Demokrit, der von vielen Welten spricht und der wegen seiner großen Weisheit, als er so predigte, Viele in Zweifel stürzte und zu Irrtümern verleitete». 

Zur Lehre der Nikolaiten gibt Oehler eine in keiner der bisher erwähnten Quellen enthaltene Ergänzung: 

«Zuerst waren nur Finsternis und Tiefe und Wasser; und die Erde wurde in der Mitte abgetrennt, und der Geist trennte diese Elemente. Da stürzten sich die Finsternisse auf den Geist und erzeugten 4 Aeonen, und diese 4 wieder 4 Aeonen. Die zur Linken und zur Rechten aber – sagte er – sind Licht und Finsternis. Und Jemand habe jenes Weib, jene Kraft (das Licht) begattet. Daraus seien die Götter geboren und die Menschen und die Engel und die sieben Geister ... – Sie setzen hinzu, auch einige Propheten seien aus ihr geboren, mit so verwunderlichen Namen wie » {Barkabba, etwa Sohn der Mitteilung/Überlieferung – oder gar anstelle von Simon Bar-Kochba?}. 

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Interessant bei Oehler ist noch die lange, neutrale Aufzählung diverser ’Irrtümer’ wie: 

  • Andere behaupteten ,ein Evangelium der Vollkommenheit empfangen zu haben79...
  • Andere…sagten ,Judas habe etwas Gutes getan, indem er den Erlöser verriet. Der war nämlich, sagen sie, der Urheber des guten Wissens, dank welchem uns die himmlischen Mysterien eröffnet worden sind. Während aber die Gewalten (virtutes) im Himmel nicht wollten, daß Christus leide, ... und weil Judas wußte, daß wenn Christus leiden würde, er den Menschen das Leben bringen würde, verriet er den Herrn.
  • …Ialdabaoth ,geboren aus Noria und Barbelo ,so einer Frau, oder wie andere sagen ,Caulacauch, ein Mensch. – Anmerkung ebenda: «Noria aber kommt von Feuer und Licht {arab. ذور – nwr = Feuer, Licht}, wie das griechische – pyr bei der Pyrrha des Deukalion {siehe die griechische Mythologie}; – vgl. Johannes Damascenus, De Hæreseis.» - Zu Caulacauch siehe oben unter Kavlos/Pavlos.
  • Es gibt auch Häretiker, die behaupten ,Griechen oder Ägypter oder Perser hätten begonnen die Erde zu beschreiben, nicht Noah habe sie unter seine drei Söhne verteilt. Dabei hat Noah ...
  • Es gibt auch eine Häresie, die sagt, unter Deukalion und Pyrrha habe es eine Sinthflut gegeben – älter als jene, welche unter Noah erfolgte. Die Arche sei in Griechenland gewesen, auf dem Berg Parnassos ... ; – und auch danach habe es nochmals eine Sinthflut gegeben ...80
  • Es gibt auch noch Häretiker–wie die Manichäer, Gnostiker, Nikolaiten, welche hören, daß David kein Prophet Christi gewesen, und auch kein Lehrer und Ausleger aller göttlichen Schriften, sondern ein menschlicher Sänger und Chronist.
  • Es gibt eine Häresie die glaubt, es gebe Sterne am Himmel, die nicht fix seien.
  • Es gibt auch Häretiker, die ablehnen, daß Adam von Gott das Pater Noster empfangen hat.
    Und so geht es weiter, mit z.T. so interessanten ‹Häresien›, daß wir bedauern, sie hier übergehen zu müssen ...
    Überdies erwähnt Oehler mehrere Häresiarchen - Ebion {!}, Cerdon, Markion, Apelles -, die nach Rom kamen und entweder dort – während sie «examiniert wurden» – oder nach ihrer Rückkehr nach Osten durch ihre ‹Häresien› mit Rom in Konflikt kamen; – derart, daß das Bild sich aufdrängt, diesen Besuchen habe eine Bekanntmachung Roms zugrunde gelegen, die alle Vorsteher aller Jesus Christus bekennenden Gemeinden nach Rom rief – zum «Meinungsaustausch» betreffs der gemeinsamen Formulierung einer vollständigen Lehre Christi . – Die diversen «Häresiarchen» hätten darin die Möglichkeit gesehen, einen Beitrag zur wahren, vollkommenen christlichen Überlieferung und Lehre zu leisten; – Rom aber den Zweck, alle «Irrlehren» so rasch als möglich zu erkennen, zu neutralisieren und ihre Urheber unschädlich zu machen. – Die Kirchenfürs- ten hätten dann überdies die so erhaltenen Bücher und Lehren verdammt und selektiv für sich umgebogen; – und daraus den ‹einzigen weltweit gültigen Glauben› formuliert. – Aber die Akasha-Chronik weiß mehr darüber.
    5.2.7. Giuseppe Fornasari’s Sittenbild Roms
    In seinem Buch Il Celibato Sacerdotale – Über das Zölibat der Priester – bringt Fornasari einige neue historische Hinweise und Text-Quellen81: – Der Ausdruck Nikolaiten findet sich nach Fornasari im 11. Jh. unter Papst Gregor IX, als Bezeichnung für die Priester-Ehe in der Ostkirche, und bald darauf auch für Priester-Ehe und Priester-Konkubinat in der Westkirche. Der Begriff Nicolaiten taucht aber auch mehrfach auf in der «Responsio sive contradictio adversus Nicetæ Pectorati libellum» (zit. in: Umberto in Silva Candida, Adversus Simoniacos, I, III, cap. 39., wo Nikolaus als Häresiarch bezeichnet wird). Ein anderer Autor im selben Sinne ist Pietro Damiani (Petrus Damianus).
    Weitere ebenda zitierte Quellen sind: Dictionnaire de la théologie catholique XI, 1931, Spp. 499-506; – Enciclopedia catholica VIII, 1952, Sp. 1859; – Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl. 1960.
    Fornasari reduziert die patristische Literatur auf «un peccato di impurità, accompagnato [più?] o meno da ardite speculazioni cosmologiche – eine Sünde der Unreinheit, begleitet von mehr oder weniger abenteuerli- chen kosmologischen Spekulationen ...» –– zweifellos, weil er weder die Tradition der Kabbalisten noch die Äonologie der Gnostiker kennt, und daher diese beiden Behauptungen nicht abwägen kann gegen die auf der Hand liegende Weigerung der ‹Häretiker›, die Ehe als ein Sakrament, die Scheidung aber als ein Anathema der Kirche zu akzeptieren, Auch die Behauptung, irgendwelche uomini malvagi – üble Gesellen – hätten sich auf Nikolaus berufen, um sich selbst und ihre Untaten zu legitimieren, erscheint gar weit hergeholt.
    Interessant ist hingegen sein Hinweis, der die Paare Nikolaus und Stephanus sowie Petrus und Judas neben einander stellt – allerdings in der Meinung, es handele sich um Gegensatzpaare, während es sich in Wirklich- keit gerade um Parallelen handelt: Stephanus wurde (unter Mittäterschaft des Paulus) als Häretiker – also als Urchrist und daher eher als Gnostiker – gesteinigt; Nikolaus wurde als Gnostiker durch Rufmord beseitigt. – Judas wurde von der kirchlichen ’Berichterstattung’ erhängt, Petrus aber als römischer Bischof ausgezeichnet,

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der er nie war und nie sein konnte, u.a. weil er bekanntlich nie in Rom war. So (und genau!) gelesen, ist der lateinische Satz von Hieronymus, dem geschickten Dialektiker und Kabbalisten, höchst instruktiv: 

Nicht alle Bischöfe sind wirklich Bischöfe. Es genügt, Petrus anzusehen; – aber auch Judas sollst du erwä- gen. Stephanus mußt du verdächtigen; – aber auch Nikolaus mußt du respektieren, den der Herr in der Apoka- lypse durch seinen Spruch verdammt: So schändlich, entstellend und gottlos ist dies(er) Einfall nämlich, auf daß die Häresie der Nikolaiten aus dieser Wurzel hervorgehen solle (nascatur). 

Daß im 11. Jahrhundert die Nikolaiten ausgerechnet im Zusammenhang mit der Simonie gebrandmarkt wer- den, macht die Sache noch durchsichtiger: Ist dies doch gerade die Zeit, wo Simonie und Libertinismus in der Kirche Roms – vorallem im Vatikan – ihre höchste Blüte feierten! 

Obige Darstellung wird gestützt durch jene des Philaster im Catalogus Hæreticorum, indem – wie Fornasani (a.a.O., p. 16) korrekt vermerkt: «Insgesamt werden die Nikolaiten gleich hinter die Manichäer und die Gnosti- ker eingereiht, weil sie das Gesetz und die Propheten – das Alte und Neue Testament verwerfen und sich aus- schließlich dem Studium der Apokryphen widmen {was – hätte es zugetroffen – allein schon eine verfehmte Häresie gewesen wäre}. Diese drei Kategorien von Ketzern glauben überdies, ein anderer Gott habe die Seele gemacht, ein anderer den Körper {was wiederum der gnostischen Aeonologie mit ihrer Hebdomas entspricht}; – und aberkennen dem David {der gemäß moderner archäologischer Forschung wahrscheinlich nie existierte} die Gabe der Prophetie. – Inanzitutto, i Nicolaiti [vengono] posti subito dopo i Manichei e gli gnostici [perché] rigettano la Legge ed i Profeti – il Vecchio ed il Nuovo Testamento, dedicandosi esclusivamente alla lettura degli Apócrifi; – queste tre categorie di eretici, inoltre credono «quod alter deus fecerit animam, alter carnem» – e disconoscono a Davide il dono della profezia.» – 

Dabei erklärt gerade Cassianus (360-432, cit. a.a.O) «... er {Nikolaus} sei einer jener Jünger gewesen, die in Allem für jene Zeit als so vollkommen befunden werden, wie es heute in den Klöstern nur Wenige gibt». For- nasari (a.a.O., Appendice I, p. 111) weist auch noch darauf hin, daß die Nikolaiten nicht immer im Sinne der Häresie, wenn auch stets in pejorativem Sinne genannt wurden. 

Bei dem von Fornasari zitierten Umberto di Silva Candida kommt die Nicolaitica Hæresia vollends nur im Zusammenhang mit der damals aktuellen Situation: Ehe, Konkubinat und Simonie der Kleriker zur Sprache. In ähnlichem Sinn und Geist wurden ja auch die Patarener berühmt. 

Ein Dekret der Synode von 1074 – so Fornasari – beinhaltet, daß der eine Chronist – Eckehardt de Aura – schreibt: «... Papst Gregor {der Neunte} verfluchte in der Synode die Simoniten, d.h. Verkäufer und Käufer des Heiligen Geistes, und ordnete an, die Nikolaiten – d.h. die verheirateten Priester – vom Altardienst zu entfernen, und verbot den Laien das Hören von deren Messen. – Gregorius papa, habita synodo, simoniacos, venditores scilicet et emptores Spiritus sancti anathematizavit, et nicolaitas, uxoratos videlicet sacerdotes, ab altaris ministerio removeri decrevit, et laicis eorum missas audire interdixit – ». – Ein anderer Chronist – Sieguebert de Gembloux – erwähnt die Nikolaiten nicht und schreibt nur: «... verfluchte die Simoniten und entfernte die verheiratet oder im Konkubinat lebenden Priester vom Hochamt – simoniacos anathematizavit et uxoratos sacerdotes a divino officio removit ». – Hugo de Flavigny – als Anhänger von Gregor – benutzt im Jahr 1051 beim Tod von Hermann von Metz bezüglich der Nikolaiten auch gar den Ausdruck «... die sittenlose Ketzerei der Nikolaiten ... nach Gewohnheit der (Kirchen-)Väter verdammt – fornicaria hæresis Nicolaitarum ... patrum consuetudine condemnata », ohne diese ’Gewohnheit’ zu hinterfragen, noch zu begründen. Doch beruft er sich dabei noch auf Augustinus; – und diese (fiktive?) Legitimation wird auch lange nach Gregor als Gewohnheit übernommen. Dieser Vorgang verstärkt sich noch, sodaß 1172 Heinrich, Herzog von Sachsen und Bayern den Sultan seiner Polygamie wegen einen Nikolaiten nennt! 

Noch einfacher wird es, wenn Cassiodorus formuliert, eigentlich seien doch alle Häretiker auch Nikolaiten (im bekannten Sinne); – oder wenn Ambrosius Autpertus bemerkt, alle Häretiker seien ein dummes Volk, und alle, die nicht an ... [die Dogmen der Kirche Roms] glauben, seien mit gutem Recht «den Nikolaiten, also dem dummen Volk zuzurechnen». Letzterer geht endlich so weit, zu sagen, es gebe auch innerhalb der Kirche Niko- laiten; – nämlich (indem er die aktuelle Simonie der Kleriker auf die Nikolaiten überträgt) Jene, die irdische Schätze ansammelten, entgegen dem Wort in Mt. 6, 19, bzw. Lk 12, 16-20. – - Arme Nikolaiten! 

5.3. Die neuesten Quellen 

In den letzten 150 Jahren scheint das Thema Nikolaiten niemanden mehr sonderlich interessiert zu haben; und das ist auch nicht verwunderlich: Wer mochte sich um solch eine schmutzige Kleinigkeit kümmern, wo es doch so hochwichtige neue Textfunde wie jene von Qumrân und Nag-Hamadi zu begutachten, zu übersetzen und zu verstehen gab? – Wo so dramatische und die ganze Welt umfassende geistige Veränderungen sich an allen Seiten ausbreiteten und das bekannte Wort verwirklichten: «Denn nichts ist verborgen, das nicht offenbart 

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werden; – nichts geheim, was nicht erkannt werden wird» – ein Logion Jesu, das ausgerechnet allein das Johannes-Evangelium nicht bringt! – Nur wenige moderne Enzyklopädien bringen etwas über die Nikolaiten. 

5.3.1. Ein gemiedenes Thema 

Der Dictionnaire d’Histoire et de Géographie (Paris, 1869) erwähnt zwar einige Päpste, Bischöfe und Zaren etc. des Namens Nikolaus, ja sogar den schweizerischen Niklaus von der Flüeh; – aber unsere Nikolaiten exis- tieren dort nicht: « ... Schweigen ist Gold». – Dasselbe gilt für den Petit Larousse aus dem Jahr 2000, für den Deutschen Brockhaus von 2003 und das Große DTV-Lexikon von 2006. 

Der Dictionnary of Phrase and Fable (London, Paris, New York, 1899) bemerkt lakonisch: 

«NIKOLAITEN: Die Jünger des Nikolaus im zweiten Jahrhundert. – Gnostiker nach der Lehre, waren sie Epikuräer in der Praxis». – Gehen wir also zur Fachliteratur über. 

Der Dictionnaire de la Spiritualité (laufende Ergänzungen) schweigt über die Nikolaiten ganz; – auch Niko- laus von Antiochien kommt mit keinem Wort vor. 

Der moderne New Exegesis Dictionnary sagt über sie nur kurz: «One of 7 bishops designated to the care of greek widows; – probably the only (greek) proselyte, signifying, that the Church was widening their activities, including / admitting now pagan (gentile) people as well». - Die Nikolaiten-Saga würde also wirklich zur Ant- wort der ’Heidenchristen’ auf die «allzu erfolgreiche Vermehrung der ’Judenchristen’ in Kleinasien» gehören. – Und betreffs Nikolaus selbst: «There is no indication as to Nicolaus the bishop being identical with the heres- iarch in Rev. 2, 6; 15». – Über diesen Punkt herrscht allgemeine Uneinigkeit. Man erhält den Eindruck, daß weithin verschwiegen werden soll, was nicht sein darf, nämlich, daß Nikolaus tatsächlich einer der oft genann- ten «sieben antiochischen Diakone» war; – daß er sich aber nach seiner Wahl «durch die Apostel» als unzweck- mäßig für die neue Form der ’christlichen’ Lehre nach Apollonius bzw. Paulus und Petrus erwies. Die histori- sche Teilung der Persönlichkeit im kirchlichen Interesse ist uns ja auch bei den Kirchevätern begegnet. Fündig wird man dann in zwei spezialisierten Kirchen- bzw. geistesgeschichtlichen Werken der neusten Zeit: 

5.3.2. Die katholische Enzyklopädie DECA 

Der a priori katholische Dictionnaire Encyclopédique du Christianisme Ancien – kurz: DECA82 – ist am ausgewogensten: Er widmet dem Thema immerhin knapp eine Seite und sieben (eher veraltete) Literatur- hinweise. Doch auch einige neue Informationen kommen dazu: 

Es handele sich um eine Bewegung doktrinalen und ethischen Charakters im 2. Jh., und, falls man sie mit den «falschen Aposteln» der Apg 2, 2 identifizieren wolle, um Wanderprediger, die sich als Propheten und Apostel 83 darstellten. – Ferner wird auf «eine Frau, Jezebeel» hingewiesen. Jezebeel erscheint auch in einigen der obigen Quellen; –man sollte wohl nach dem valentinianischen gnostischen Konzept so interpretieren: 

(Jès – Feuer; Beel – Herr – also eventuell Herr[in] des Feuers (oder des Lichts) und damit mit dem Vesta- Kult verwandt?); möglicherweise für „Sophia außerhalb des Pleroma“ gesetzt. Alle Rezensenten sind sich indes darin einig, daß es sich um ein schrecklich heidnisch Weib handeln müsse; – der DECA bringt sogar eine historische Figur dazu: Der Name sei ein Archetyp, ein symbolischer Name, der personifiziert sei in «der Phönizierin desselben Namens, Königin Israels, die ihren Mann Achab zusammen mit einem Großteil des Volkes zu den heidnischen Kulten veranlaßt» habe. Im Altertum trug das Volks automatisch die Religion des Königs. Trat der König oder Fürst zu einem anderen Glauben über, so mußte sein ganzes Volk dies sogleich mit-vollziehen. Gallien, Britannien und das Mittelamerika der Azteken sind typische Beispiele dafür. 

Die bewußte Stelle in der Apokalypse würde – so der DECA – bedeuten, daß es sich um Prä-gnostiker handle, die sich auf eine höhere Kenntnis beriefen und «die Freiheit der Ausübung des christlichen Glaubens im Sinne von 1 Cor 8; Rm 14 bis ins Extrem verfolgt» hätten. Sie hätten auch dem Kaiserkult (Cäsar = Gott) gewisse Konzessionen gemacht, weil ja nicht die Person des Kaisers verehrt wurde, sondern sein schützender Genius – also im hellenistisch-gnostischen Sinne ein Eudaimon. 

Andere benutzen den Spruch von Nikolaus: «Man muß sein Fleisch vernachlässigen (siehe unten)», um daraus den Vorwurf des Libertinismus abzuleiten. Und der DECA ergänzt: Im Mittelalter habe man all Jene, die sich dem klerikalen Zölibat widersetzten, Nikolaiten genannt. 

5.3.2. Der interdisziplinäre DGWE 

Das neueste große Werk, der Dictionary of Gnosis & Western Esotericism84 (Referent zum Stichwort NICOLAITES: Birger A. Pearson) steht diesbezüglich vorwiegend auf der Seite der Rigoristen. 

Die Kirche von Ephesus sei gelobt worden für ihren Haß gegen die Nikolaiten, die Kirche von Pergamon aber getadelt, weil sie sie duldete. Dann folgen die gewohnten Vorwürfe – als Tatsachen formuliert – sowie eine überhöhte Erwähnung von Jezebeel, die hier überdies noch «wahrscheinlich eine nikolaitische Anführerin – probably a Nicolaitan leader» – genannt wird, deren Kenntnis die tiefen Geheimnisse des Teufels – «the deep things of Satan» – umfaßt hätten. Sie wird nochmals genannt im Zusammenhang mit Tertullians Diskus- 

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sion über Apoc 2, 20, und ihre ’Kenntnisse’ als mit den Nikolaiten verbunden interpretiert. – Auch im DGWE werden die bekannten Kolportagen wiedergekäut, ungeachtet der oben genannten Tatsachen. Die Aeonologie der Gnostiker wird hier ganz verständnislos und kirchlich-orthodox erwähnt als die Entstehung verschiedener Kombinationen von Aeonen und anderer widerlicher Wesen – «... and other foul beings». – Soviel Unkenntnis in einem so wichtigen Werk aus dem Jahr 2005 ist doch sehr beeindruckend. 

Der Ausspruch des Nikolaus über die Verachtung des Fleisches wird hier wiedergegeben als von Clemens zi- tiert und «von denen, die sich wohl Jünger dieses perversen Menschen (Nikolaos) nannten, interpretiert als Miß- brauch des Fleisches». Diese hätten sich auch einer ziegenartigen Lüsternheit hingegeben, was an die mythologische Abbildung der Venus Urania – , die auf der Ziege reitenden Himmelsgöttin – erinnert. 

Die Übersetzung des DGWE betreffs obigen Ausspruchs ist aber falsch. Der Referent meint: «Das griechische Wort  – parachresastai heißt klar Mißbrauch, nicht Mäßigung oder Beherrschung – ... clearly means abuse, not restrain or control». Die richtige Bedeutung ist aber gering achten, nebenbei gebrauchen. 

Es folgt eine verworrene Wiedergabe des gnostischen Konzepts (Aeonen, Barbelo, Jaldabaoth) und unkontrollierte «mit den Nikolaiten verbundene Sekten» (die oben erwähnten Stratiotiker, Levitici, Borboriten, Pru- nicus etc. wurden aus den alten Häresiologien ganz unkritisch übernommen). – Dazu kommt eine große Anzahl Literatur-Quellen zwischen 1915 und 1987; – also längst überholtes Halbwissen. 

5.4. Die Originale hinter den verdrehten Texten 

Unsere Hauptquelle für diesen Abschnitt ist der vor über 100 Jahren erschienene Band über die Gnosis von G.S. Mead, dem einstigen engen Mitarbeiter von H.P. Blavatsky85. Sehr aufschlußreich ergänzend im Sinne der Bestätigung, ja Bekräftigung der oben entwickelten Beurteilungen sind die erst jüngst publizierten koptischen Apostelgeschichten von Paulus, Petrus und Johannes.86 – Daraus ergibt sich das Folgende: 

Epiphanius zitiert sichtlich Teile aus dem Erlöserbuch im Buch des Großen Logos, das G.S. Mead in seinem Werk auszugsweise und teils zusammengefaßt wiedergibt, – ebenso Teile aus den am Ende des 19. Jh. als As- kew Codex, als Codex Brucianus und als der Achmin Codex wieder bekannt gewordenen Textsammlungen87. Aber Epiphanias befleißigte sich, möglichst Vieles falsch zu verstehen bzw. zu Lasten der Dissidenten zu ver- drehen, und alle Autoren nach ihm schrieben das so Verdrehte ab und erfanden noch mehr Perversitäten dazu. 

Zu den Quellen des Epiphanius gehört nun auch das Apokryphon des Johannes (Interrogatio Johannis), zu- sammen mit der (pseudoclementinischen) Apostelgeschichte des Petrus. Letztere ist mit der koptischen Version verwandt, aber nicht identisch. Diese Texte werden ins erste Viertel des zweiten Jahrhunderts gesetzt (Dr. Karl Schmidt und G.S. Mead); doch sind deren Quellen – darunter die zwei Bücher des Iao viel älter und «kommen wohl aus dem „Ägypten vor der Sinthflut“ wie der antike Historiker Manetho schreibt» (Mead). 

Wie dem auch sei: «Es kommt gar nicht darauf an – so schreibt Mead – ob wir diesen Zweig der Gnosis Ophitismus, Barbelognostizismus, nur Gnostizismus oder Valentinianismus nennen: Für alle diese Unterschei- dungen würden wohl die Kompilatoren oder der Kompilator dieser Dokumente wenig Verständnis gehabt haben.». – Und weiters: «[Dr. Karl] Schmidt vermutet, daß der ursprüngliche Titel die Apokalypse oder die Er- leuchtung – und nicht das Apokryphon des Johannes war. Hier ist also zweifellos von der Urform dessen die Rede, was als Offenbarung des Johannes in die kanonische Bibel eingefügt wurde». 

Damit sind auch deren in der vorliegenden Arbeit angetönten Ungereimtheiten und Widersprüche erklärt. - 

Mead zitiert überdies Einige vergessene Aussprüche Jesu (Logien), die heute teils im Kanon des NT (Evangelien, Paulusbriefe, Apokalypse) wieder auftauchen teils aber erst durch nach Meads Ableben entdeckte apokryphe Schriften bekannt geworden sind,. Dazu gehört auch dieses Logion: 

«Betet für eure Feinde; – gesegnet sind die, welche über die Vernichtung der Ungläubigen trauern!» – 

6. Schlußbemerkungen 

Das Resultat all dieser Untersuchungen und Textstudien kann so zusammengefaßt werden: 

Eine Sekte der Nikolaiten gab es wirklich – sei es seit dem Ende des ersten, sei es ab Beginn des zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung; und vielleicht war wirklich der antiochische Diakon Nikolaus deren ’Instiga- tor’. Zu ihren Vorgängern gehörten die Ebioniten (selbst Nachfolger der Essenischen Sekte der Nazoräer, von denen auch Jesus gekommen sein soll. Zu ihren Nachfolgern gehörten gnostische Gruppen wie die Cerinthianer. 

Die Beschuldigungen im NT gegen die Nikolaiten sind von zweierlei Natur: Erstens betreffs ihrer ’Werke’, die in Apoc. 2, 6 et al. verdammt werden, und die sich zusammenfassen lassen in «essen von Opferspeisen» und «libertinistische Unzüchtigkeit». Beide Vorwürfe basierten ursprünglich auf absichtlicher Verdrehung harmloser bzw. damals üblicher Verhaltensweisen und Riten, die durch böswillige Kolportage mehr und mehr zu Ungeheuerlichkeiten aufgebauscht – und jahrhundertelang von niemandem kritisch hinterfragt wurden. 

Zweitens betreffs ihrer Lehre: Die Nikolaiten waren klar nach einem Gemisch aus orientalischer, hellenisti- scher und ägyptischer Gnosis ausgerichtet, tolerant gegen Andersgläubige auf der Basis des AT, aber ableh- 

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nend gegenüber der Konstruktionen der paulinischen, d.h. Rom-treuen, pseudochristlichen Lehre. Sie mehr noch als die Ebioniten müssen es sein, welche Lange (a.a.O.) mit den bei Irenäus erwähnten Judenchristen meint, die sich in Kleinasien so stark vermehrten, daß Johannes von den Bischöfen Asiens gebeten wurde, ein gegen die Judenchristen – also gegen das gnostische Christentum – gerichtetes Evangelium zu verfassen. Dieser Intention entsprechen auch die «Briefe des Johannes» sowie Teile der «Apokalypse des ’Johannes’». 

Letztere beruht auf mehreren Quellen, wozu auch das Apokryphon des Johannes gehört – eine alte gnostische Schrift, die lange ’verloren’ war, in J. Bœhme’s Werk (17. Jh.) jedoch noch zitiert wird. Andere Quellen der Apo- kalypse des NT sind der Kabbalah und anderen alt-orientalischen Lehren entlehnt, wobei eschatologische und chiliastische Elemente in magisch-mystische Bilder verpackt wurden. Viel alttestamentarisches Strafen und römisch-dogmatische Verpflichtungen (einschließlich die Verfluchung aller Andersgläubigen, vorweg der Nikolaiten) kommen darin vor; – und es ist zu vermuten, daß die Apokalypse ihre Beliebtheit in heutigen Gottes- diensten allein ihrer großen okkulten Magie – d.h. ihrer logischen Unverstehbarkeit – verdankt sowie der über Jahrhunderte kultivierten Treue gegenüber einer Bibel, die in weiten Teilen der tiefen Würdigkeit ihrer origina- len Autoren spottet. Die übrigen Schriften besonders des Johannes bestärken dieses strenge Urteil. 

In heutiger Zeit wäre es daher angebracht, anstelle der entstellten, zutiefst unchristlichen «Offenbarung des Johannes» und der paulinisch geprägten Briefe neu entdeckte (ebenso alte und ältere) Schriften des ersten bis dritten Jahrhunderts zu verwenden (die Aeonologie der Gnostiker, das Buch der Fragen der Maria und andere, die in der vorliegenden Arbeit erwähnt werden); – auch könnten mehrere solcher Texte zu einer in ihrem Gehalt und in ihrer Schönheit unübertrefflichen Sammlung von Logien vereint werden, die heute z.T. tatsäch- lich in die kanonischen Bibel eingestreut, jedoch zwischen den paulinischen Indoktrinationen fast verloren sind. 

Folgende Tatsachen gälte es zu bedenken und deren Auswirkung vorneweg mitsamt den verderbten Text- Teilen zu eliminieren: 

a) Als die Apokalypse festgeschrieben wurde (ab 3. Jh. und später), war Johannes längst gestorben; Nikolaus und die Nikolaiten waren längst unwichtig geworden. Dennoch dienen sie bis heute als Schreckgespenst und Sammelbegriff für jegliche Häresie (wie die späteren Manichäer, Katharer und Albigenser). 

b) Sogar bei Epiphanius, den doch Alle gelesen und kommentiert (und sehr Viele auch kritiklos abge- schrieben) haben, wird ausdrücklich dargelegt, daß die Gnostiker mit den Nikolaiten in engster Verbin- dung standen, ja aus ihnen hervorgegangen seien (a.a.O., p. 36). 

c) Haß ist kein Wort des Christentums – noch viel weniger eines Jesus Christus, der das berühmte Liebe Deine Feinde predigte und am Kreuz für sie betete, während Johannes nur unzählige Male Liebet eure Brüder wiederholt (Jo 13, 34; – 14, 15; – 15, 12; 17). – Am allerwenigsten könnten es ’Worte’ des kosmischen Christus sein, der ja ganz unpersönlich (über-persönlich) und leidenschaftslos gedacht werden muß («vor Gott gibt es kein Ansehen der Person»). 

Selbst wenn man sich nun der Ansicht der modernen Textkritiker anschlösse, die sich alle darin einig zu sein scheinen, daß die Apokalypse von einem Gnostiker oder dergleichen verfaßt sei (was augenscheinlich nicht der Fall ist), so wäre die bewußte Passage betreffs die Nikolaiten im N.T. ersatzlos zu streichen – als eine Häresie der Kirche gegen ihre eigene Lehre nämlich, deren Praxis diese Lieblosigkeit allerdings absolut entspricht. Alles Andere bedeutet eine Verstärkung jener Kräfte, die der wahren Erkenntnis Gottes mittels menschlicher Schreckens-Bilder entgegen wirken (aber: «Gott ist Liebe!»), und die das Licht mit Finsternis umhüllen, dem «Fürsten dieser der Welt» dienend - und ihn stärkend. 

Wenn wir also einerseits abschließend betonen, daß die Bibel nach wie vor eine der bemerkenswertesten Sammlungen heiliger Schriften und esoterischer Weisheiten ist, so beklagen wir anderseits auch, daß sie an so vielen Stellen – ja über ganze «Bücher» hinweg befleckt und mißbraucht wurde und noch heute wird, um menschliches Machtbedürfnis zu stützen, Ungerechtigkeiten zu legitimieren und barbarisches, unmenschliches Blutvergießen in der ganzen Welt als rechtmäßiges Mittel zur Verbreitung ursprünglich reiner, heiliger, dann aber zu niedrigen Zwecken verbogener und beschnittener Lehren zu legalisieren – im Namen Gottes des Vaters, im Namen seines Sohnes Jesu des Christus (des Logos), und im Namen des Heiligen Geistes. 

Mit anderen Worten: Die «Häresie der Nikolaiten» hat als solche nie existiert, wenn nicht – wie alle bonafi- den ‹Häresien› – also alle Gnosis – als ein Versuch, die falschen Lehren der römisch-christlichen Kirche zu korrigieren, bzw. die damals neue jüdisch-christliche Gnosis besser in den Vordergrund zu rücken und durch orientalische Elemente zu bereichern. – Aufgrund der hier kurz zusammen gefaßten Recherchen und Studien darf das in der Überschrift gegebene Versprechen in einem einzigen Satz eingelöst werden, den man als An- merkung an geeigneter Stelle in sämtliche Bibeln eintragen sollte, wollte man der Sache gerecht werden: 

Die «Werke der Nikolaiten» waren ihr gnostisch-christlicher Lebenswandel – die wahre Nachfolge Jesu! - 27 - 

 

 

 

7. LITERATUR-QUELLEN: 

 

1 Giuseppe Fornasari, Celibato Sacerdotale e «Autocoscienza» Ecclesiale. – Per la Storia della «Nicolaitica Hæresis» nell'Occidente Medievale. – Università degli Studi di Trieste, Facoltà di Magistero, III- Serie, N° 7. – Del Bianco Editore, 1981. 

2 De præscriptione hæreticorum, cap. 5; und in Adversus Marcionem. Zitiert in: Franciscus Oehler, Corpus Hæresiologicus Tomus primus ... – siehe unten 

3 Irenæus, Adversus Hæreseos, I, 26, 3; III, 11, 1)
4 D. Epiphanii episcopi Constantiæ Cypri / Contra octoaginta hæreses opus. Panarium sive Arcula, aut Capsula Medica 

appellatum, conntinens libros tres, tomos sive sectionees ex toto sptem: Iano Cornario Medico Physico interprete. – 

Basel, Winter, 1543. – < UBB FJ IV 11>.
5 Dictionnaire Encyclopédique du Christianisme Ancien, Vol.I & II. – Éditions du Cerf, 1990. – Originalausgabe: 

Dizionario patristico e di antichità cristiane; – Genova, Casa editrice Marietti, 1983.
6 Syntagma adversus omnes hæreseos. – Verschollen aber zitiert bei diversen Autoren
7 in: Franciscus Oehler, Corpus Hæresiologici Tomus (primus von 3) continens scriptores Hæresiologicos minores latinos. 

... Berlina, apud Asher & Socios, (1856)
8 Philastrus, Diversarum hæreseōn Liber, capp. 33, 88, 115, 129, in: Franciscus Oehler, Corpus Hæreiologici Tomus 

primus ; a.a.O.
9 in: Franciscus Oehler, Corpus Hæreiologici Tomus primus ... – a.a.O.
10 Ysidorus, de sectis & nominibus hæreticorum. – Wien, Ioannes Singrenius, exp. Leon & Lucæ Alantse fratrum, Anno 

Domini (1516. – <UBB fb 1254>. – Und in: Franciscus Oehler, Corpus Hæreiologicum ... – a.a.O. 

11 D. Lobegott Lange: Die Judenchristen, Ebioniten und Nikolaiten der apostolischen Zeit, und das Verhältniß der NT- Schriften zu ihnen. – Historisch und exegetisch beleuchtet. – Lpz. A. Barth, 1828. – In: Beyträge zur älteren Kirchen- geschichte sowie zur Einleitungswissenschaft in de Schriften des Neuen Bundes. – Erstes Bändchen. 

12 Stromata, II, 118; III, 25; III, 26.
13 Historia Ecclesiastica, III; 29.
14 adv. hær. I, 35.
15 Yves Schumacher, Tiermythen und Fabeltiere. Bern, Edition Amalia, 2001 (ISBN 3-905581-15-9), 16 in De præscript. 47 

17 Epiphan. hær. III, 3; Euseb. III, 28.
18 Epiphan. hær. XXX, 17
19 Lange, a.a.O.; – cit. Plank, Geschichte des Christentums in der Periode seiner ersten Einführung., II, 3. Kap.
20 Apg 2, 44, 45.
21 Corpus Hermeticum, Pymander.
22 Mani’s Lichtschatz. – Eine Anthologie manichäischer Hymnen und Gebete. – Haarlem, Rozekruis Pers, 1999.
23 vgl. auch Gilles Quispel, Het Evangelie van Thomas. Uit het Koptisch vertaald en toegelicht door G. Q. – Amsterdam, 

In de Pelikaan, 2004.
24 Hieronymus in catal. v. Iohannem:
25 vgl. Joseph Atwil, Das Messias-Rätsel
26 vgl. Yves Schumacher, Tiermythen und Fabeltiere. – Edition Amalia, Bern, 2001; – a.a.O. Ss. 13-20.
27 vgl. Giles Quispel, Het Evangelie van Thomas. – a.a.O.
28 Wolfram von Eschenbach, Parzival. – Stuttgart, Verl. Philipp Reclam, 1977, 1992, 2000.
29 vgl. Codex Hammurabi – Die Gesetzesstele Hammurabis in der Übersetzung von Wilhelm Eilers. – Wiesbaden, Marix- 

Verlag, 2009; – §§ 196-200.
30 Vgl. Gilles Quispel, Het Evangelie van Thomas. – a.a.O.
31 Le Livre Secret des Cathares – Interrogatio Johannis. – Apocryphe d’origine bogomile. – Edition critique, traduction, 

commentaire par Edina Bozóky. Préface d’Émile Turdeau. – Paris, Beauchesne, 1980.
32 Vgl. Das Evangelium der Pistis Sophia (nach der englischen Übersetzung von G.S. Mead des dem Valentinus zuge- 

schriebenen Texts) deutsch D-Bad Teinach,Verl. Hermanes T., 1987.
33 Vgl. Gilles Quispel, Het Evangelie van Thomas. – a.a.O.
34 Vgl. Joseph Atwil, Das Messias-Rätsel. – a.a.O.
35 D. Lobegott Lange: Die Judenchristen, Ebioniten und Nikolaiten der apostolischen Zeit ... a.a.O. 36 D.L. Lange, a.a.O. 

37 D.L. Lange, a.a.O.
38 E.R. Roth, De Nicolaitis in Apocalypsi ... ; – a.a.O.
39 vgl. 1 Cor 10, 28-29; – obschon unlogisch und widersprüchlich ... 40 vgl. auch Mt. 12, 4.
41 Vgl. auch Mk. 2, 24-28.
42 vgl. auch Ro 14, 1-8; 12-15; 17; 22-23; .
43 vgl. Codex Hammurabi; – a.a.O.
44 Wolfram von Eschenbach, Parzival. – a.a.O.
45 Brief des Judas, 11-13, 16-19. 

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46 The Book of Jasher as referred to in Joshuah, 2 Samuel and Jesajah, according to a modern translation, faithfully translated from the original Hebrew into English. – Salt Lake City, Parr & Co., 1887; – a.a.O., LXXIX, 27 ff. 

47 in: Num 25.
48 The Book of Jasher; – a.a.O., LXXXV, 52-60.
49 Die Behauptung wird also durch sich selbst „bewiesen“!
50 vgl. Num 22, 40
51 vgl. Mt 12, 4.
52 Vgl. auch Mk 2, 24-26.
53 vgl. insbesondere das Evangelium der Essener in der Übersetzung aus dem Aramäischen durch Edmond Bordeaux 

Szekély: The Essene Gospel of Peace. – International Biogenic Society, Nelson (Canada), 1990.
54 Vgl. Rom 14, 1.
55 vgl. H.P. Blavatsky in Isis Unveiled. – Zitiert in: P. Martin, Esoterische Symbolik heute, im Licht des Alltags, der 

Sprache und des gnostischen Wegs der Selbsteinweihung. – Basel, Edition Oriflamme, 2010; ̈a.a.O., S. 40.
56 vgl. Sefer Toldot Jeshu – eine jüdische Schrift am Beginn unserer Zeitrechnung, aber erst ab 13. Jh. bei Nichtjuden erwähnt, von M. Luther 1543 gekürzt ins Deutsche gebracht, 1681 durch Christian Wagenseil in seinen Tela Ignea Satanæ veröffentlicht. Studienausgabe: Das jüdische Leben Jesu – Toldot Jeschu ... von Thomas Ebendorfer. Kritisch herausgegeben, eingeleitet und übersetzt ... von Brigitta Carlsen, Fritz Peter Knapp et al. – Verl. Oldenbourg, Wien und 

München, 2003.
H.P. Blavatsky in Isis Unveiled II, Ss. 127und 201 zitiert es als Sefer Toldos Jeshu, wo Jesus Jehoshuah genannt wird. Das dürfte eine Vermengung sein mit dem aus dem Tetragramma – IHVH – הוהי – hervorgegangenen Pentagramma – dem SOHN יהשוח; doch sind jene Details eine interessante Ergänzung zum Buch von Carlsen et al. 

57 adv. Hær. I, 27
58 Apg 23, 12-22.
59 Lange, a.a.O.; – im Kapitel: Johannes als Gegner der Judenchristen und des Indifferentismus in Klein Asien.
60 Gal 2, 9
61 Encausse, Gérard Analect (genannt Papus), La Cabale. – 2. Ausg. Paris, 1903. – Deutsche E.A. s.l. s.a. (wahrscheinlich 

gleichzeitig): Die Kabbala – Einführung in die jüdische Geheimlehre. – Autorisierte Übersetzung von Julius Nestler, k.k. 

Professor. – Nachdrucke ab 1980 bei Verlag Fourier, Wiesbaden; – a.a.O. S. 109.
62 Adolf Franck, Die Kabbala oder die Religions-Philosophie der Hebräer. – Aus dem Französischen übersetzt, verbessert 

und vermehrt von Ad. Gelineck. – Leipzig, Heinrich Hunger, 1844. – Reprint s.a. bei Reprint Verlag Leipzig (ISBN 3- 

8262-0600-2); – a.a.O., S. 164.
63 vgl. Apoc 2, 13.
64 Vgl. W. Pape, Handwörterbuch der griechischen –Sprache. – Braunschweig, 1842.
65 Siehe Fulcanelli, Wohnstätten der Adepten. – Basel, Edition Oriflamme, 2008; – im Wortverzeichnis unter Baphomet. 66 Mt 14, 31.
67 vgl. genau denselben Wortlaut in Jo 3, 12; – ähnlich in Jo 20, 29; – 2 Cor 4, 18 et al.
68 Le Livre secret des Cathares – Interrogationes Johannis. – Édition critique ... par Edina Bozóky. – Paris, Éditions 

Beauchesne, 1980; – a.a.O., Quelle V: 190-193; Quelle D: 175-178 (Seite 74). Deutsche Ausgabe: Interrogatio Iohannis (das geheime Buch der Katharer) und Apokryphon Iohannis (das geheime Buch des Johannes) mit einer Einführung: Die Geburt des Christentums und seine Bedeutung im 21. Jahrhundert. Basel, Edition Oriflamme 2019. ISBN: 9783907103050 

69 vgl. Bika Reed, Rebel in The Soul. – Deutsche Ausgabe in Vorbereitung bei Edition Oriflamme, Basel. 70 Franciscus Oehler, Corpus Hæresiologicum Tomus primus ... a.a.O. 

71 Bernardus Lutzenburger, Prædicatorum Ordinis: Catalogus Hæreticorum, omnium pene, qui usque ad hoc tempora passim literarum monumentis proditi sunt, illorum nomina, errores, & tempora quibus vixerunt ostendens. Quem F. Bernardus Lutzenburgus artium & sacræ literar. professor, ordin. Prædicatorij quinque libris conscripsit: in quo & de Lutero & de alijs nuper ortis hæreticis multa dprehendes. – Editio quarta, nunc ab ipso autore aucta & recognita. (Colonia) Anno M.D.XXIX. – UBB < א E VIII 45>. 

72 Nikolaus Jaquier: Flagellum Hæreticorum fascinariorum autore F. Nicolao Iaquiero, Ordinis Fr.[atrum. Prædicatorum & olim Hæreticæ pravitatis Inquisitore. – Frankfurt am Main, 1581. 

73 M. Eberhardi Rudolphi Rothii, Gymn. Ulmii Conrectoris ... De Nicolaitis in Apocalypsi c. II, 15 delineatis Dissertatio. In qua ... Nicolaitorum, Gnosticorum aliorumque ejusdem farina Hæreticorum immania flagitia et nominatim Thyesteas epulas & Oedipodeos concubitus in dubium vocant, placidissime inquiritur. Editio priore longe auctior. Jenæ, Literis Wertherianis, sumpt. Christoph Enoch. Buchta, Anno O. R. M. DC LXXIX. – <UBB Frey-Gryn E IV 24 # 41>. 

74 de hæres., cap. 5
75 Gottfrid Arnolds Unparteiische Kirchen- und Ketzer-Historie / von Anfang des Neuen Testaments biß auff das Jahr 

Christi 1688. – Franckfurt am Mayn, bey Thomas Fritsch, (1699). – UBB < FM VI 37>. 

76 Hier geht es um die Bileamiten – «... daß sie Götzenopfer aßen und Unzucht trieben ...» – nicht etwa um die Nikolaiten, denen in Off. keine Werke nachgewisen werden. 

- 29 - 

77 Anonymus: Anabaptisticum et enthusiasticum Pantheon vnd Geistliches Rüsthauß Wider die Alten Quacker / vnd Neuen Frey-Geister / Welche die Kirche Gottes Zeithero verunruhiget und bestürmet/auch treue Lehrer vnd Prediger Göttli- chen Worts / verachtet / verleumbdet / gelästert vnd verfolget haben/mit vielen zur Sache dienlichen und nützlchen Kupf- fern / bloß zu Gottes Ehre und Erhaltung seiner Christlichen Kirchen / Auch den Geistlichen / Weltlichen und Hausstan- de zur Nachricht / Nutz und besten zusammen getragen und auffgerichtet. – Jm Jahr Christ 1702 (s.l. – Marburg?). 

78 Franciscus Oehler, Corpus Hæreiologici Tomus primus ... – a.a.O.
79 wohl das im 20. Jh. im Druck erschienene valentinianische Evangelium des Vollkommenen Lebens ?
80 Ioachimi Camerarii Pabebergensis, in Plutarchi de Oraculorum Defecti Epistola. – Enthalten in Iaquier, Flagellum 

Hæreticorum ... (Frkf./M., 1581). – Tatsächlich fand, wenn man die Jahreszahlen im Buch Jasher konsequent verfolgt, 

die Noachische Sinthflut von ca. 950 bis 750 v. Chr. statt!
81 Giuseppe Fornasari, Celibato Sacerdotale e «Autocoscienza» Ecclesiale – Per la Storia della «Nicolaitica Hæresis» 

nell’Occidente Medievale. – Università degli Studi di Trieste, Facoltà di Magistero, III- Serie, N° 7. – Del Bianco 

Editore, 1981.
82 Dictionnaire Encyclopédique du Christianisme Ancien; – éditions du Cerf, s.l. 1990; – Original-Ausg.: Dizionario 

Patristico e di antichità cristiane; Milano, Casa editrice Marietti, 1983
83 vgl. Apoc 2, 2
84 Dictionary of Gnosis & Western Esotericism. Edited by Wouter J. Hanegraaff, in collaboration with Antoine Faivre, 

Rœlof van den Brœk and Jean-Pierre Brach. – Brill, Leyden, 2005; – Volume II, p. 867 f..
85 G.S-Mead, Fragments of a Faith forgotten; – deutsche Ausg. Gnosis; – Anakonda-Verlag, Köln, 2008; – S 450 ff.
86 Die verborgenen Akten der ersten Christen. – Herausgegeben und eingeleitet von Edgar Henneke, mit einem Vorwort 

von Michael Tilly. – Wiesbaden, Marixverlag, 2006. 87 G.S. Mead, a.a.O.; – Ss 437 ff. 

 

 

 

 

 

 

 


   
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