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Faires Aufteilen

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 iki
(@ikigaimondai)
Fide Meister Blackwater Stammleser
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Themenstarter  

Da es in unserem Bekanntenkreis gerade mal wieder hoch her geht angesichts eines Erbes ("Sprichst Du noch mit Deinen Geschwistern, oder habt ihr schon geerbt?") und wie dieses am besten aufzuteilen geht, dachte ich, dass ein kleiner "Ratgeber" zum Thema "faires Aufteilen" nützlich sein könnte. Ich werde hier immer mal wieder Methoden vorstellen, welche man anwenden kann, um Dinge aufzuteilen - sei es Land, eine Kunst- oder Briefmarkensammlung, einen komplexen Nachlass mit Immobilien, Antiquitäten und einem Aktiendepot oder auch nur eine Pizza.

Bei der "fairen" Aufteilung geht es nicht darum, eine objektiv "gerechte" Aufteilung zu suchen und umzusetzen, sondern eine Aufteilung zu finden, mit der sich jede der beteiligten Personen individuell wohl fühlt. Grundsätzlich kann eine aufzuteilende Menge "diskret" oder "kontinuierlich" sein. Diskret bedeutet dabei, dass die Menge aus nicht sinnvoll teilbaren Elementen (bspw. Gemälden - nehme ich die linke Hälfte von der Mona Lisa oder die rechte? Auch Autos, Immobilien und Schmuck fällt in diese Kategorie) besteht, während "kontinuierliche" Mengen sich in jeder beliebigen Art und Weise aufteilen lassen. Eine Pizza kann theoretisch in unendlich viele Stücke geteilt werden, und ein Bankkonto lässt sich ebenfalls praktisch beliebig teilen (und ist wie ein Goldschatz mich gleichen Münzen auch noch "abzählbar").

Damit eine Aufteilung "fair" sein kann, muss jeder "Mitspieler" im "Teilungsspiel" vorab einige Regeln als verbindlich anerkennen:

1. Objekten werden Werte mittels mathematischer Regeln zugewiesen.

2. Jeder Spieler muss sich rational innerhalb seines "Wertesystems" bewegen.

3. Ausschließlich die Mitspieler spielen mit, es gibt also keine "Reinredner" in Form von Anwälten, (über)motivierten Partnern und so weiter.

So sich alle an diese Regeln halten, endet das "Teilungsspiel" irgendwann (nach einer gewissen Anzahl an Runden) mit einer von allen als fair empfundenen Aufteilung.

Wenn eine Menge kontinuierlich und abzählbar ist, scheint das "faire" Teilen bisweilen trivial: Wenn es 1000 Euro zu verteilen gibt, bekommt bei zwei Personen halt jeder die Hälfte. Gerade in Erb- und Schenkungsangelegenheiten stellt sich für den Erblasser bzw. den Schenkenden allerdings die Frage, ob "gleich" eben "fair" ist - angenommen, das eine Kind ist Arzt geworden, während sich das andere von Job zu Job hangelt. Wer hat es mehr verdient? Ich finde, das ist eine der schwierigsten Fragen überhaupt, und es gibt in Diskussionen dazu die gesamte Bandbreite von "Der Arzt kommt doch ohnehin gut klar und 500 Euro sind für ihr praktisch gar nicht wahrnehmbar, also sollte das ärmere Kind alles bekommen!" bis zu "Die 1000 Euro sind in den Arzt viel besser investiert als in den Taugenichts!"

Für die betrachteten "Teilungsspiele" gehen wir mal davon aus, dass alle beteiligten Parteien in etwa gleich gut da stehen und wir solche zusätzlichen Fallstricke ignorieren können.

Das einfachste "Spiel", das vermutlich jeder kennt und das für Eltern absolut unerlässlich im Baukasten ist, ist das

"Teiler/Aussucher-Spiel" mit zwei Spielern

Anzahl der Spieler: 2

Anwendbar auf: Kontinuierliche, nicht abzählbare, homogene Mengen (bspw. einen Schokoriegel, eine Pizza o.ä.)

Vorgehen: Ein "Teiler" wird zufällig bestimmt. Er teilt die Menge so auf, dass er jeden Teil als "fair" empfindet, also mit jeder "Hälfte" leben kann. Anschließend darf der "Aussucher" sich ein Teil nehmen, der Teiler bekommt das andere.

Hinweis: Natürlich kann es passieren, dass sich - bspw. beim Wiegen der Teile - herausstellt, dass nun einer der beiden einen "Vorteil" hat. Daher aber auch die Regel Nummer 2 oben: Jeder hat in dem Moment, in dem er eine Entscheidung getroffen hat, eine Entscheidung getroffen, die er als "fair" empfunden hat, somit gibt es keinen Grund für Reklamationen oder Genörgel. Natürlich hätte man auch direkt wiegen können, aber wer hat schon immer eine Waage dabei und mal ehrlich... der Aufwand sollte ja auch im Verhältnis zum Nutzen stehen.

Zugegeben, das war jetzt sehr einfach; aber das war mal nur zur Einstimmung, und es wird schon noch komplexer, keine Sorge. 😊


   
Martgo, weip321, lichtenberg99 and 2 people reacted
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(@presskoppweck)
Fide Meister Blackwater Stammleser
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Beiträge: 1642
 

Ich kenne das als 'Indianisch Teilen':
Einer teilt in zwei Haufen auf und der Andere wählt welchen Haufen er haben möchte.


   
Martgo and weip321 reacted
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 iki
(@ikigaimondai)
Fide Meister Blackwater Stammleser
Beigetreten: Vor 2 Jahren
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Themenstarter  

Bevor es weitergeht, lohnt es sich nochmal über den individuell zugewiesenen "Wert" von etwas und das Konzept der "Fairness" nachzudenken. Nehmen wir als Beispiel eine Box mit drei Flaschen Wein: weiß, rosé und rot. Die Box kostet 40€. Wenn drei Personen A, B und C untereinander teilen sollen, stünde jeder Person Wein im Wert von 13,33€ zu.

Für Person A, die alle Weinsorten gleichermaßen mag, wäre jede Flasche tatsächlich 13,33€ Wert: es wäre ihr egal, ob sie den Rot-, den Rosé- oder den Weißwein bekommt.

Für Person B hingegen, die ausschließlich Rotwein mag, wäre der "Wert" wie folgt verteilt:

weiß: 0€
rosé: 0€
rot: 40€

Und für Person C, die alle Weine gleichermaßen trinken könnte, aber Weißwein am liebsten, sagen wir: doppelt so gern mag wie die anderen beiden wäre der "Wert":

weiß: 20€
rosé: 10€
rot: 10€

Wann ist das Ganze nun "fair" verteilt? Aus individueller Sicht immer dann, wenn jemand so viel oder mehr als den "Erwartungswert" von 40€/3=13,33€ erhält.

Damit ergibt sich direkt eine für alle als fair wahrgenommene Verteilung:

  • Person B mag nur den Rotwein und bekommt ihn auch. Aus ihrer Sicht hat sie den "Jackpot" gezogen, weil sie die einzige für sie trinkbare Flasche bekommen hat.
  • Für Person C ist nur der Weißwein dahingehend fair, dass sie so viel bekommen hat, wie ihr zustünde (20€ ist mehr als die 13,33€), sogar mehr. Die anderen beiden Flaschen würden einen "schalen Beigeschmack" hinterlassen, da es sich so anfühlt, als hätte sie nicht den Anteil bekommen, der ihr eigentlich zustünde, aber der Weißwein ist super.
  • Person A schließlich erhält den Rosé. Da für sie alle Flaschen gleich viel Wert sind und daher exakt dem Drittel des Gesamtwerts entsprechen, gibt es auch für sie keinen Grund, mit dem Ergebnis unzufrieden zu sein.

Es mag etwas kontrainuitiv sein, wenn man nun zusammenrechnet, dass die Personen Wein im "wahrgenommenen" Wert von 73,33€ aus einem "wahren" Wert von 40€ gezogen haben - wichtig ist aber, dass alle das Teilungsergebis als fair bewerten. B mag sagen: "Ich kann immer noch nicht glauben, dass ihr euch mit der Plörre zufrieden gegeben habt!" Dem wird aber C entgegnen: "Wieso Plörre? Ich mag halt Tanine nicht so, und außerdem freue ich mich auf meinen Fisch heute Abend mit dem Weißwein!" und A wird vielleicht einwerfen "Rot, weiß, Hauptsache er dreht!" Und alle sind zufrieden.


   
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(@presskoppweck)
Fide Meister Blackwater Stammleser
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Beiträge: 1642
 

@ikigaimondai 
Ich würde eine Versteigerung vorschlagen: wer von den Dreien bietet die meisten Euro für die Kiste. Die Euro kann man dann einfach dritteln. 
Wie man sieht, ich mag keinen Wein.


   
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 iki
(@ikigaimondai)
Fide Meister Blackwater Stammleser
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Themenstarter  

@Presskoppweck Die "Umwandlung" einer diskreten Teilungsmasse (Weinflaschen) in eine kontinuierliche (Geld) ist natürlich ein möglicher gangbarer Weg. Gerade in Erbengemeinschaften ist es sogar besonders "fair", da ja durch die Umwandlung (den Verkauf) ein "realer Wert" ermittelt wird. Dem gegenüber steht bei einer Auszahlung einzelner immer das Problem, dass der Wert ja "am Markt vorbei" ermittelt werden muss, und das öffnet dann Tür und Tor für Streit. Gutachten, Gegengutachten, und so weiter.

Weiter geht es mit unseren Teilungsmethoden, heute mit dem

"Alleiniger Teiler"-Spiel mit drei oder mehr Spielern

Anzahl der Spieler: 3, theoretisch beliebig viele

Anwendbar auf: Kontinuierliche, nicht abzählbare, heterogene Mengen (bspw. eine Pizza mit unterschiedlichem Belag oder eine Eistorte mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen.)

Vorgehen:

  1. Ein "Teiler" A wird zufällig bestimmt. Er teilt die Menge so auf, dass er jeden Teil als "fair" empfindet, also mit jedem "Drittel" leben kann.
  2. Anschließend weisen die anderen beiden Spieler B und C (die "Aussucher") für sich jedem der drei Teile einen "Wert" zu. Dieser ist entweder kleiner 33% ("unfair"), genau 33% ("fair") oder größer 33% (ebenfalls "fair").
  3. Hernach schreibt jeder Spieler seine "Gebote" auf: Er nennt alle Stücke, die er als "fair" empfindet. Das kann nur ein Stück sein, oder auch zwei oder sogar alle drei.
  4. Sollte jetzt ein Stück auftreten, das von keinem der beiden Bieter als fair empfunden wird, geht es sofort an den Teiler (der muss es als fair empfunden haben, sonst hätte er anders teilen müssen).
  5. Wenn beide Bieter nur ein Stück als "fair" empfinden und es das gleiche Stück ist, wird eines der beiden unfairen Stücke dem Teiler zugelost, das zweite Stück mit dem ersten vereinigt und erneut geteilt, bspw. nach der "Teiler-Aussucher"-Methode oben.
  6. In allen anderen Fällen ist eine faire Zuteilung einfach möglich und bei drei Spielern auch noch offensichtlich.

Es gibt für drei Spieler eine Variante, in der das Vorgehen etwas abgewandelt wird (und das im Falle von Lebensmitteln ziemlich matschig wird):

  1. Ein erster zufällig ausgewählter Teiler teilt für sich fair.
  2. Der zweite Spieler nimmt von dem von ihm am "wertvollsten" empfundenen Stück so viel weg und schlägt es dem von ihm am "unfairsten" wahrgenommenen Stück zu, dass diese beiden Stücke für ihn fair sind.
  3. Der dritte Spieler sucht sich aus den drei Stücken ein beliebiges aus.
  4. Der erste Spieler bekommt das Teil, welches in Schritt 2 nicht verändert wurde; oder sucht sich aus den beiden verbleibenden Teilen eins aus, wenn das unveränderte Teil bereits in Schritt 2 gewählt wurde.
  5. Das verbleibende Stück geht an den zweiten Spieler.

   
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(@presskoppweck)
Fide Meister Blackwater Stammleser
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Veröffentlicht von: @ikigaimondai
Gerade in Erbengemeinschaften ist es sogar besonders "fair", da ja durch die Umwandlung (den Verkauf) ein "realer Wert" ermittelt wird.
Nennt sich übrigens Teilungsversteigerung (klick)

 


   
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