Der Begriff "Taqiyya" wird von PI-Lesern und anderen, die dem Islam nicht besonders freundlich gesinnt sind, immer wieder angeführt und ist eines der vielen Beispiele die belegen, dass das Lager der Islamgegner oft fachlich Halbwahrheiten oder komplette Fehlinformationen verbreitet. Da ich das Thema "Taqiyya" immer wieder höre und dass Muslime das anwenden würden, um "andere zu täuschen", mache ich diesen Thread zur Verlinkung auf.
Man kann und sollte sich mit dem Islam wie mit jeder anderen Religion auseinander setzen. Man muss es aber nicht. Aber wenn man eine Meinung vertritt, dann sollte man sich inhaltlich auch mal tiefer mit der Thematik auseinander gesetzt haben. Ich behaupte auch keine Dinge über die Mormonen, wenn ich mich nicht eingehend vorher damit beschäftigt habe.
Also, kommen wir zu dem beliebten Thema "Taqiyya". Was bedeutet "Taqiyya"?
Taqiya bzw. Taqīya (arabisch تقية, DMG Taqīya oder Taqiyya ‚Furcht, Vorsicht‘) ist ein bei verschiedenen schiitischen Gruppen geltendes Prinzip, wonach es bei Zwang oder Gefahr für Leib und Besitz erlaubt ist, rituelle Pflichten zu missachten und den eigenen Glauben zu verheimlichen.
Im sunnitischen Islam ist das Konzept zwar ebenfalls bekannt, doch hat es nicht in der Allgemeinheit Anwendung gefunden und wurde oft auch abgelehnt. Verheimlichung des eigenen Glaubens in Gefahrensituation gilt jedoch meist als zulässig. Der große Unterschied ist nach Goldziher, dass Taqīya im schiitischen Islam eine „unerlässliche Pflicht“ darstelle, während es im Sunnitentum als Ruchsa, also „als Konzession für die Schwächeren“, gelte.
Das Prinzip der Taqīya wurde bei den Schiiten häufig mit dem Prinzip der Taqwā, „Gottesfurcht“, assoziiert. Taqīya gilt Schiiten auch als das „Gute“, mit dem man laut Koranvers 28:54 Böses abwehrt.
Dem aufmerksamen Leser mit etwas Basiswissen fällt eines schon sofort auf: "ist ein bei verschiedenen schiitischen Gruppen geltendes Prinzip".
Shia-Islam (Iran, viele auch im Irak). Die Muslime, die die meisten kennen, der weltweite Mehrheitsislam sind Sunniten. Damit ist das Geschwätz von manchen Webseiten und Social Media eigentlich schon widerlegt.
Aber es geht noch weiter:
1. Geht es nicht um Betrug an anderen, sondern darum das eigene Leben zu schützen.
2. Das Wort Taqīyya taucht in dieser Form nicht im Koran auf.
Die Praxis der "Taqiyya" kommt also aus der Überlieferung und nicht aus dem Quran. Das ist übrigens sehr oft so. 😉
Noch etwas weiter führend...
Quelle:
Von Prof. em. Dr. Etan Kohlberg, Hebräische Universität Jerusalem | 19.02.2016
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Kontext is King. Gilt auch beim Islam/Quran.
Ich bin anders als zwei Sisters hier kein Islamwissenschaftler. Aber diese Informationen kann man mit etwas Mühe zusammen tragen.
Warum immer mehr Menschen heute Zeug verbreiten ohne Hintergründe zu kennen (vor allem wenn man diese klären kann), bleibt ein Rätsel unserer Zeit. Und ein Problem dazu.
Als das "große" Schwester im Islam freue ich mich sehr das hier zu lesen. 😊 Und ich darf das noch etwas ergänzen und weiter beschreiben.
Taqiyya(h) ist wie oben von Martin geschrieben im Islam die Praxis, seinen Glauben zu verbergen und auf die üblichen religiösen Pflichten zu verzichten, wenn man von Tod oder Verletzung bedroht ist. Abgeleitet vom arabischen Wort waqa ("sich schützen"), lässt sich taqiyyah eigentlich nicht ganz einfach übersetzen. Manche Übersetzungen schreiben etwas wie "vorsorgliche Verheimlichung" oder "vorsichtige Furcht" und vermitteln teilweise die Bedeutung des Begriffs als Selbstschutz angesichts der Gefahr für sich selbst oder, je nach den Umständen, für die Mitmuslime. Somit kann taqiyyah entweder zum Schutz eines Einzelnen oder zum Schutz einer Gemeinschaft verwendet werden. Darüber hinaus wird sie nicht von jeder islamischen Gruppe und Rechtsschule auf die gleiche Weise verwendet oder sogar interpretiert. Taqiyyah wurde von den Schiiten, der größten Minderheitsgruppe des Islam, aufgrund ihrer historischen Verfolgung und politischen Niederlagen nicht nur durch Nicht-Muslime, sondern auch durch die sunnitische Mehrheitssekte angewandt. Die kanonische Autorität für Taqiyyah ergibt sich aus zwei Aussagen im Qurʾān. Der 28. Vers der dritten Sure besagt, dass die Gläubigen aus Furcht vor Allah (swt) den Ungläubigen keinen Vorzug in der Freundschaft geben sollen, "es sei denn, um sich vor ihnen zu schützen." Die 16. Sure wurde (der Überlieferung nach) offenbart, um das Gewissen von ʿAmmār ibn Yāsir zu beruhigen, einem frommen Anhänger unseres Propheten Muhammad, Frieden und Segen auf ihm, der unter Folter und Todesdrohung seinem Glauben abschwor. Vers 106 dieser Sure verkündet, dass ein Muslim, der gezwungen wird, seine Religion zu verleugnen, dennoch ein wahrer Gläubiger ist, der "den Frieden des Glaubens" in seinem Herzen fühlt, keine großen Konsequenzen erleiden wird (16:106). Die Bedeutung dieser Verse ist selbst im Kontext der Sure, in der sie erscheinen, nicht klar. Selbst unter islamischen Gelehrten, die sich darüber einig sind, dass die Verse eine koranische Sanktion für die Taqiyya darstellen, herrscht daher erhebliche Uneinigkeit darüber, wie die Verse dies tun und was die Taqiyya in der Praxis erlaubt. Auch die Hadithe werden als theologische Rechtfertigung für die Taqiyyah angeführt. In einem Hadith wird erwähnt, dass Muhammad 13 Jahre wartete, bis er "eine ausreichende Anzahl treuer Anhänger gewinnen konnte", bevor er seine mächtigen polytheistischen Feinde in Mekka bekämpfte. Eine ähnliche Geschichte erzählt, wie ʿAlī, der vierte Kalif und Schwiegersohn unseres Propheten Muhammads, dem Rat Muhammads folgte nicht zu kämpfen, bis er "die Unterstützung von vierzig Männern" hatte. Einige Gelehrte interpretieren diese Erzählungen als Beispiele für Taqiyyah. Indem sie den Kampf gegen die Feinde des Islams so lange vermieden, bis sie genügend militärische Kräfte und moralische Unterstützung aufbringen konnten, bewahrten ʿAlī und Muhammad nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch den Auftrag den Glauben zu verbreiten. Weder der Qurʾān noch die Hadithe legen Lehrpunkte fest oder schreiben Verhaltensrichtlinien für die Anwendung der Taqiyyah vor. Die Umstände, unter denen die Taqiyyah angewendet werden kann und das Ausmaß, in dem sie obligatorisch ist, sind unter den islamischen Gelehrten sehr umstritten. Nach übereinstimmender Auffassung der Gelehrten und der Rechtsprechung ist sie nicht durch die Androhung von Auspeitschung, vorübergehender Inhaftierung oder anderen relativ erträglichen Strafen gerechtfertigt. Die Gefahr für den Gläubigen muss unabwendbar sein. Auch wenn Taqiyyah die Verschleierung oder Unterdrückung der eigenen religiösen Identität beinhalten kann, ist sie kein Freibrief für ein oberflächliches Glaubensbekenntnis. Eide, die unter geistigem Vorbehalt geleistet werden, sind beispielsweise dadurch gerechtfertigt, dass Allah swt das akzeptiert, was man innerlich glaubt. In den meisten Fällen wird die Rücksichtnahme auf das Gemeinwohl und nicht auf das private Wohl betont.
Die falsche Verwendung von Taqiyyah wie sie Nichtmuslime beschreiben gibt es gar nicht. Ich wüsste auch nicht auf welcher islamischen Rechtsgrundlage sie stehen sollte.
Danke für die Erklärungen. Die werde ich mir speichern, weil ich tatsächlich den Begriff schon sehr oft gelesen hatte. Meistens von sogenannten "Islamhassern".
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